Saubere Produkte: Kantine ohne China-Erdbeeren

Hamburg will vermehrt Produkte einkaufen, die ohne Kinderarbeit und Ausbeutung hergestellt und fair gehandelt wurden.

Sollten ohne Ausbeutung gefertigt sein: Grabsteine. Bild: dpa

HAMBURG taz | Hamburg ist als Verbraucher eine "Marktmacht". Davon müsse sie aber auch "konsequent Gebrauch machen", fordert der grüne Wirtschaftspolitiker Anjes Tjarks. "Hamburg kann maßgeblich Einfluss darauf ausüben, dass Waren sozial fair, ökonomisch sinnvoll und ökologisch produziert werden", behauptet er. Das Problem sei jedoch, dass die Stadt "keinen genauen Überblick hat, wofür sie ihr Geld ausgibt". Das sieht auch die allein regierende SPD ein. Hamburg müsse "Hauptstadt des fairen Handels sein", sagt SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal.

Und deshab wird im kommenden Jahr wahrscheinlich ein Runder Tisch eingerichtet werden mit dem Ziel, "das Beschaffungswesen der Hansestadt auf eine moderne und nachhaltige Grundlage zu stellen". Bis zum 1. Juni 2013 solle ein Konzept erarbeitet werden, wie Hamburg es organisieren könne, "ab 2020 nur noch nachhaltige Produkte zu beschaffen", heißt es in dem grünen Antrag, der ab Januar im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft beraten werden wird.

Nach einer Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der Grünen lagen die jährlichen Materialkosten der Stadt seit 2007 jeweils zwischen 10,5 und 12,5 Millionen Euro. Das gesamte Volumen der Aufträge für Waren und Dienstleistungen lag danach pro Jahr meist über 600 Millionen Euro, im Jahr 2010 waren es sogar exakt 913.544.491 Euro. Die Gründe für diesen Ausreißer hat der Senat in dieser Aufstellung nicht genannt. Nach taz-Informationen handelt es sich vornehmlich um Investitionen im IT-Bereich.

Insgesamt ist der IT-Bereich mit 15 Prozent der Kosten die größte Warengruppe im Beschaffungswesen der Jahre 2008 bis 2010 gewesen. Es folgen Postdienstleistungen, städtische Kraftfahrzeuge sowie Reinigungskosten mit jeweils neun bis acht Prozent. Fünf Prozent machen Unterrichtsmaterialien sowie Sport- und Spielgeräte aus, jeweils drei Prozent wurden ausgegeben für Möbel, Druckerzeugnisse und für Sicherheitsdienstleistungen.

Eingekauft oder beauftragt wird das von zehn einzelnen behördlichen Beschaffungsstellen, die meist voneinander unabhängig - oder auch nebeneinander her - arbeiten. Koordinierte Einkäufe gibt es laut Senatsantwort nur bei "Waren und Dienstleistungen, die von allen beziehungsweise vielen Behörden und Ämtern benötigt werden (zum Beispiel Büroartikel, Kopierpapier)". Dazu kommen fachliche Beschaffungsstellen für Spezialbedarfe wie "Waffen und Munition". Allein zwischen 2007 und 2011 hat die Hamburger Innenbehörde dafür 5,145 Millionen Euro ausgegeben.

Tjarks will "jetzt nicht soweit gehen, den Einsatz von fair gehandeltem Pfefferspray aus ökologischem Anbau zu verlangen". Aber "konkrete Schritte, um Nachhaltigkeit und unternehmerische soziale Verantwortung in der Verwaltung zum Prinzip zu erheben", schweben ihm schon vor.

"Solange die Stadt ihren Einkauf nicht zentral und vor allem nicht bewusst organisiert, hat sie trotz des riesigen Mengenvolumens wenig Einfluss darauf, was und vor allem wie ihre Waren produziert werden", sagt Tjarks. Deshalb gebe es immer noch Natur- und Grabsteine, "die in ausbeuterischer Kinderarbeit erstellt" wurden (siehe Kasten), und in Behördenkantinen würden im Winter "Erdbeeren aus China" zum Dessert gereicht.

Nach dem Vorbild von München solle Hamburg deshalb daran arbeiten, dass "in Behördenkantinen nur noch fair gehandelter Kaffee angeboten wird und die Lebensmittel aus der Region stammen und biologisch produziert werden", heißt es in dem grünen Antrag zur Vorbereitung des Runden Tisches.

Über all das, signalisiert die SPD-Mehrheit, könne gern gesprochen werden. "Hauptsache billig ist vorbei", sagt Monika Schaal. Die Stadt müsse bei der Beschaffung von Produkten "Umweltschutz und Energieeffizienz stärker berücksichtigen" sowie die Kernnormen der Weltarbeitsorganisation ILO anwenden: Gewerkschaftsfreiheit, Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz, existenzsichernde Löhne, angemessene Arbeitszeiten sowie das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit.

"Die Verbesserungspotenziale sind gewaltig", glaubt Tjarks. "Aber guter Wille reicht nicht, es müssen Taten her."

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