Münchner Sicherheitskonferenz: Inge Viett greift zum Mikrofon
Die ehemalige RAF-Terroristin hält auf der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz eine Rede. Die meisten Friedensaktivisten sind entsetzt.
MÜNCHEN taz | Inge Viett würde nicht bei der Auftaktkundgebung am Münchner Stachus sprechen, hatte der Antikapitalistische Block (AL/M) den übrigen Organisatoren des Bündnisses gegen die sogenannte Sicherheitskonferenz versichert.
Die Nachricht von der Einladung der Exterroristin durch den AL/M-Block hatte in Teilen des Bündnisses und beim Hauptorganisator Claus Scheer blankes Entsetzen ausgelöst. Als die Auftaktkundgebung kurz nach 13 Uhr am Samstag begann, erlebten die Teilnehmer die erste Überraschung: Inge Viett verzichtete zwar auf ihren persönlichen Auftritt vor dem Mikrofon, nicht jedoch auf ihre Rede: die ließ sie von einem Sprecher des AL/M-Blocks verlesen.
Als sich der Demonstrationszug von knapp 2.000 Teilnehmern mit Fahnen und Transparenten etwa von Ver.di, Attac, Linkspartei, DKP, Pax Christi und der neuen Gruppierung „Kriegsrat – Nein Danke“ in Bewegung setzte, saß neben dem Fahrer im zweiten Lautsprecherwagen des Zuges – dem des Antikapitalistischen Blocks – eine vergnügt wirkende Inge Viett.
Für die zweite Überraschung sorgte der Antikapitalistische Block nach gut der Hälfte der Demoroute: Der Lautsprecherwagen stoppte am Sendlinger Tor und hielt den Zug auf: Bei einer erzwungenen „spontanen“ Zwischenkundgebung verlas Inge Viett nun selbst ihre Rede.
Ablenkung von der Hauptsache
Die Verärgerung vieler Teilnehmer war groß – auch, weil die Medien nun wohl nicht über die harte inhaltliche Kritik an der Sicherheitskonferenz berichten würden, sondern über die Provokation einer kleinen Gruppe. Am Zielort der Demonstration vor dem Münchner Rathaus warf der Hamburger Völkerrechtsprofessor Norman Paech in seiner Rede der Sicherheitskonferenz vor, in Wirklichkeit den Zugriff auf die Ressourcen fremder Länder und Handelsrouten sichern zu wollen.
Paech verwies darauf, dass die deutsche Sicherheitspolitik in den Verteidigungspolitischen Richtlinien den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet sei, und stellte die Frage: „Seit wann entspricht es diesen Werten, einem Regime wie Saudi-Arabien, dem Menschenrechte vollkommen fremd sind, Panzer zu verkaufen zum Einsatz im Innern des Landes oder über die Grenzen gegen Nachbarn?“ Der frühere Bundestagsabgeordnete der Linken forderte außerdem den Abzug der deutschen „Patriot“-Raketen aus der Türkei.
Die Münchner ÖDP hat das Bündnis wegen der Viett-Einladung bereits verlassen. Bei Attac München gibt es ebenfalls starke Befürworter eines Austritts. Auch andere Gruppe sind verunsichert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos