PKK-PROZESS: Strafe ohne Straftat

Zweieinhalb Jahre Haft für "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland". Hamburger Gericht wendet erstmals den Paragrafen 129 b an.

Juristisches Neuland: Für den PKK-Aktivisten Ali Ihsan Kitay bediente sich das Gericht des Paragrafen Paragraf 129 b. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der in Hamburg lebende kurdische Exilpolitiker Ali Ihsan Kitay ist vom Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ (Paragraf 129 b StGB) zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Zugleich wird er aus der Untersuchungshaft entlassen – in der er 16 Monate verbracht hatte.

Das Gericht war am Mittwoch überzeugt, dass Kitay als Kader und Gebietsleiter – für Hamburg und später auch die Regionen Bremen, Kiel und Oldenburg – in den Jahren 2007 bis 2008 die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in ihrem Guerilla-Kampf in der Türkei unterstützt hat. Er soll Spendensammlungen, Newroz-Feste und Demonstrationen organisiert haben. Eine konkrete Straftat in Deutschland wurde dem 47-jährigen Kurden zu keiner Zeit vorgeworfen.

Das Gericht räumte ein, dass das Verfahren ein „Novum“ sei, da erstmals die 129 b-Strafvorschrift zur Anwendung kommt. Deshalb sei „die schwierige Aufgabe gewesen, sich mit dem türkisch-kurdischen Konflikt auseinander zu setzen“, so der Vorsitzende Richter Klaus Rühle. Manchmal sei der Eindruck entstanden, „der türkische Staat sitzt auf der Anklagebank“, sagte Rühle weiter, wenn man sich die Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan, die Folterungen, extralegale Hinrichtungen und die völkerrechtswidrige Umsiedlungspolitik ansehe.

„Doch die PKK hat nicht das Recht zu töten“, auch das sagte der Richter. Daher habe sich das Gericht nur mit den Anschlägen der PKK und ihrem militärischen Arm HPG befassen müssen, nicht mit türkischem Regierungshandeln.

Dafür griff es in der 30-tägigen Beweisaufnahme auf Dokumente, Berichte der türkische Polizei und Geheimdienstes sowie auf Zeitungsartikel zurück. „Wir hatten nur Papier, keine Zeugen“, so Rühe ein. Eben daran hatten die Verteidiger Cornelia Ganten-Lange oder Carsten Gericke sich wiederholt gestoßen: Sie verlangten, dass Sachverständige und Völkerrechtsexperten angehört würden. Den Paragrafen 129 b stellt die Verteidigung verfassungsrechtlich in Frage – und spricht der deutschen Justiz die Legitimität ab, „Außenpolitik mit dem Mittel des Strafrechts“ zu machen.

Das Gericht wiederum verweigerte der PKK die Legitimation, ihren Kampf für die kurdische Sache mit Mord und Totschlag zu führen. Zwar gebe es die Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention, die einen Krieg für das Selbstbestimmungsrecht zuließen, so Rühle, „diese finden bei der PKK keine Anwendung“. Denn die Türkei habe – anders als die Bundesrepublik – sie nicht unterzeichnet.

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