US-Stadt Detroit ist pleite: Da muss ein Superheld ran
Er darf so ziemlich alles: Behörden schließen, Tarife ändern, Vermögenswerte verkaufen und Gesetze erlassen. Kevyn Orr soll die insolvente Stadt Detroit sanieren.
CHICAGO afp/taz | Detroit im Norden der USA, einst die viertwichtigtste Stadt des Landes und heute pleite, kommt unter staatliche Finanzaufsicht. Der Gouverneur des Bundesstaates Michigan, Rick Snyder, ernannte am Donnerstag einen Sanierungsexperten mit umfangreichen Befugnissen.
Der Sanierer Kevyn Orr darf Behörden schließen, Tarifvereinbarungen ändern, Vermögenswerte verkaufen und Gesetze erlassen – alles ohne Zustimmung der gewählten Vertreter Detroits. Orr versprach, er wolle seine Aufgabe binnen 18 Monaten erfüllen: „Wir können uns aus der Asche erheben.“
„Er trat auf wie ein Superstar“, kommentiert denn auch die Detroit Free Press. „Hoffentlich gibt er seinen Job hier nicht wieder frustriert auf.“ Orr habe die schwierige Aufgabe, Gewerkschaften und Gläubigern große Zugeständnisse abzuringen – da könne es schon passieren, dass er zu wenig Unterstützung bekomme.
Orr scheint sich dessen bewusst zu sein: „Lasst uns anfangen und zusammenarbeiten. Menschen mit gutem Glauben sollten in der Lage sein, sich zusammen an einen Tisch zu setzen und zu einem rationalen Ergebnis kommen“, mahnte er bei seinem ersten Auftritt in Detroit.
Detroit ist seit Jahrzehnten im Niedergang begriffen. Die Stadt hatte 1950 noch 1,8 Millionen Einwohner, heute sind es noch 713.000. Rassenunruhen und -Aufstände vertrieben Ende der 60er Jahre viele Weiße aus der Stadt. Unternehmen folgten, woraufhin die Steuereinnahmen sanken, so dass die Stadt ihre Ausgaben kürzte, was wiederum weitere Einwohner veranlasste, Detroit zu verlassen.
Die Autokonzerne, die der Stadt den Namen „Motor City“ gaben und einst massenhaft Arbeitsplätze boten, verkleinerten ihre Belegschaft immer mehr oder verlagerten die Produktion gleich ganz. Verlassene Hochhäuser, stillgelegte Fabriken und leerstehende Häuser prägen das Stadtbild. Die Kriminalitätsrate ist hoch. In vielen Straßen kann die Stadt nicht einmal mehr für Beleuchtung sorgen.
Detroit ist hauptsächlich von Schwarzen bewohnt und wird von Demokraten regiert. Gouverneur Snyder, ein weißer Republikaner, nahm möglicher Kritik und Rassismusvorwürfen mit der Auswahl Orr vorab den Wind aus den Segeln - der Sanierer ist Afroamerikaner, Demokrat und in Michigan aufgewachsen. Orr half bereits bei der Sanierung des Autokonzerns Chrysler in Detroit.
Orr sagte am Donnerstag, er werde Detroit binnen 18 Monaten wieder „auf den richtigen Weg bringen“. Bürgermeister Dave Bing, angesehen wegen seines Kampfes gegen die Korruption, versprach: „Wir werden alles tun, um gute Partner zu sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland