piwik no script img

Neues Sportfreunde-Stiller-AlbumGanz schön groß geworden

Mitbrüllknaller und Alltagsweisheiten: Die Sportfreunde Stiller bleiben sich treu. Manch einer könnte sie sich die auf einem Kirchentag vorstellen.

Werden auch nicht jünger: Die Sportfreunde Stiller Bild: dpa

Diese Frage nach dem Erwachsenwerden, die stellt man gern, wenn es um neue Alben von Bands geht, deren Musiker noch als jung gelten. Es ist ein Versuch zu begreifen, was zwischen zwei Alben passiert ist, wie sich die Band verändert hat, welche einschneidenden Lebensereignisse ihre Musik geprägt haben, was ihr Aufstieg von der kleinen Clubband zum großen Hallen-Act mit ihnen gemacht hat.

Oder halt eben auch ein paar mehr Lebensjahre. „Erwachsen klingt doof“, sagt Flo Weber, 38, Schlagzeuger bei den Sportfreunden Stiller. „Als hätten wir keinen Spaß mehr oder so.“

Und nach Spaß klingt das neue Album, „New York, Rio, Rosenheim“, ganz offenkundig. Dessen erste Single, „Applaus, Applaus“, ist das, was „Ein Kompliment“ vor ein paar Jahren war: ein Sportfreunde-Stiller-Song, der im Radio hoch und runter läuft, weil man ihn gut mitsingen kann. Weil die Musik so einen Lalala-Effekt hat und einem beim Hören unwillkürlich ein breites Grinsen ins Gesicht hängt. Klingt einfach nach Friede-Freude-Eierkuchen-Welt.

Das Album ist eine typische Sportfreunde-Platte. Mit langsamen und eher nachdenklichen Stücken, die Texte voller schlauer Sprüche und kleiner und großer Alltagsweisheiten, natürlich auch mit den obligatorischen Mitbrüllknallern und viel Musik zum Hüpfen und Schwitzen.

Ein bisschen reifer seien die Texte schon, sagt Schlagzeuger Flo Weber. Als ob reif nicht genauso doof klingen würde wie erwachsen.

Es hat eine Weile gedauert, bis das neue Werk fertig war, knapp vier Jahre. Dafür kommen die Sportfreunde jetzt nicht nur mit einer neuen CD, sondern auch mit der passenden Ausstellung dazu. Die heißt „Liederschau“, ist noch bis Ende Mai in München zu sehen und beinhaltet 13 Exponate, die so benannt sind wie die zwölf Lieder auf der Platte – plus eine „Liedabhakliste“.

Kleine Bilder statt schnöder Haken

Die war eigentlich nur dazu da, um die einzelnen Lieder mit den richtigen Instrumenten auszustatten. Dazu hat Flo ein Gemälde gemacht: kleine Bilder statt schnöder Haken. „Am Ende kam ein ziemlich cooles Gemälde raus, und wir dachten uns: Das könnte doch mit jedem einzelnen Lied auch funktionieren.“

Eine spontane, nette Idee, entstanden bei den Studioaufnahmen in Hamburg. So ganz durchdacht ist das Konzept wohl noch nicht, denn man kann die Gemälde und Skulpturen bisher nur in einer Münchner Galerie sehen, und das auch nur noch bis Ende Mai. Aber um Konzepte geht es den Musikern von den Sportfreunden ja ohnehin nur selten.

Die Kunstwerke sind die Verbildlichung der Texte des neuen Albums, viel Leinwand und Farbe, allesamt erschaffen von Schlagzeuger Flo Weber. Der hat nämlich „einen ziemlich großen Drang zur Kunst, immer schon“, wie er sagt, wollte sogar mal Kunst studieren, ist bei der Aufnahmeprüfung aber durchgefallen. Aber wäre das nicht passiert, dann hätte er eben nicht beim Sportstudium in München den späteren Sportfreunde-Stiller-Sänger Peter Brugger kennengelernt – und es hätte die Band vielleicht nie gegeben.

Nun aber hat Weber, zwischen Bandproben und Promo-Auftritten, wochenlang gemalt und gebastelt. Und so gibt es in der Ausstellung nun Stücke wie diese schwarze Jacke mit roten Schulterapplikationen und Sportfreunde-Stiller-Aufnähern auf dem Rücken – wenig subtil das Exponat passend zum Lied „Lederjacke“, in dem es um die irrationale Verbundenheit zu Lieblingskleidungsstücken geht.

Wieder kein Hit

Oder, zwischen großen und kleinen Bildern, diesen alten Schulstuhl, benannt nach dem Song „Wieder kein Hit“, bemalt und bekritzelt mit dem passenden Liedtext. Soll dafür stehen, seine Pflichten einfach mal sausen und den Alltag Alttag sein zu lassen. „Wenn ich den Stuhl sehe, dann denk ich an den Peter, wie er auf einem Bleistift kaut, plötzlich alles hinwirft, sich aufs Bonanzarad setzt und an den See fährt“, sagt Flo.

Interpretationen ihrer Songs, oft so direkt wie die Lieder selbst: Das ganze Album klingt nach Sommer, nach einem Ausflug mit dem Auto aufs Land, die Scheiben heruntergekurbelt, den Ellbogen lässig rausgehängt. Das Radio läuft, der Grashalm hängt im Mundwinkel, man blinzelt in die Sonne. Es riecht nach frisch gemähter Wiese und See. Frisch. Heimat. Zu Hause.

Ein Gefühl, das auch mit dem Titel des Albums ausgedrückt werden soll: „New York Rio Rosenheim“. Wegsein und wieder nach Hause kommen. Weil es da irgendwie am schönsten ist.

Das kennt die Band, war sie doch selbst viel unterwegs in den letzten Jahren. Stand mit Orchestern auf der Bühne, mit Udo Jürgens am Klavier, in kleinen Clubs und riesigen Hallen. Die Tour des Unplugged-Albums startete 2009 und dauerte bis Ende 2010.

Gemütliche Soundcouch

Neu sind die Botschaften nicht, die sie auf der jüngsten Platte transportieren. Es geht wieder um Liebe, Freundschaft, Menschen und Menschlichkeit. Avantgarde ist das natürlich nicht, eher die gemütliche Soundcouch in der Ecke als das schicke Designerstück. Manch einer könnte sich die drei inzwischen auch auf einem Kirchentag vorstellen.

So viel Gutmenschentum auf CD gebrannt, für Kinder und Erwachsene jenseits der 50 gleichermaßen. Nette Musik, die keinem wehtut, mögen einige mäkeln. Ein bisschen wie Pur vielleicht, wobei damit weniger die Musik gemeint ist als vielmehr die massentaugliche Wohlfühligkeit der Sportfreunde.

Natürlich ist die Band im Mainstream angekommen, füllt Open-Air-Hallen. Man kann das langweilig finden und irgendwie uncool. Aber ist es eigentlich wirklich schlimm, eine Band gut zu finden, die dafür sorgt, dass man sich wohlfühlt? Ist das nicht irgendwie die große Spezialität der Sportfreunde?

Auch Teenager können ohne Probleme den WM-Song „54, 74, 90, 2010“ mitsingen. Ältere sind mit der Band mitgewachsen. „Es ist doch super, dass unsere Musik nicht mehr nur die coolen Hipster in Trainingsjacken erreicht“, sagt Flo Weber. Da muss man ihm erst mal erklären, dass Trainingsjacken schon lange nicht mehr hip sind. Vor zehn Jahren vielleicht, als die Sportfreunde Stiller als Jungspunde im Adidas-Look für Menschen im Adidas-Look sangen – in ausgetretenen Chucks und engen, löchrigen T-Shirts. Ganz so unerwachsen sind sie heute vielleicht doch nicht mehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!