Migration in Nordafrika: Abfahrt nach Europa ist am Montag

Die Migrations- und Fluchtbewegungen nach Libyen nehmen stark zu. Über die Grenzen kommen aber auch islamistische Kämpfer.

Am ersehnten Ziel in Lampedusa werden afrikanische Flüchtlinge von der italienischen Polizei empfangen Bild: Reuters

SEBHA taz | In Gruppen von 10 bis 20 hocken junge, dunkelhäutige Männer im Schatten der wenigen Straßenbäume in der libyschen Wüstenstadt Sebha. Pinsel und Werkzeuge auf dem Boden deuten auf die von ihnen angebotenen Dienstleistungen hin.

Doch von der boomenden Wirtschaft, von der ihnen die Menschenschmuggler in Accra oder Lagos erzählten, ist in der südlibyschen Provinz Fezzan nur wenig zu sehen. Seit Tagen warten die meisten dieser Wanderarbeiter in der sengenden Hitze vergeblich auf Jobs.

Emanuel Emeka aus Ghana ist verzweifelt. „Ich will arbeiten, um meine Familie zu Hause ernähren zu können. Dort gibt es keine Arbeit. In Gatrun weiter südlich verdiente ich pro Tag zwischen zwei und 30 Dinar auf der Baustelle. Manchmal aber auch gar nichts. Man kann mit uns machen, was man will, denn alle Libyer sind bewaffnet.“

Kein Geld mehr für Schlafplatz und Essen

Sein Freund Egiki Ubien aus Nigeria hat kein Geld mehr für einen Schlafplatz und Essen. „Jeden Tag kommen Hunderte durch die Wüste“, berichtet er. „Ich brauche unbedingt 150 Euro für die Fahrt nach Tripolis. Dort arbeite ich dann für die Überfahrt nach Europa.“

Mit dem Ende der libyschen Revolution sind in der Sahara die Grenzen gefallen. Die Region ist nun ein informeller gemeinsamer Wirtschaftsraum. Beim Menschenhandel reicht er von Agadez im Norden Nigers bis zum Mittelmeer. Waffen- und Drogenhändler überqueren die Grenzen von Mali bis Ägypten unkontrolliert.

In Agadez haben die Arbeitsmigranten ein Busticket gelöst. Im Angebot sind die libyschen Ziele Gatrun, Sebha oder Tripolis, zu Festpreisen. Die Schmuggler fordern 250 bis 500 Euro, bei günstigem Wetter schicken sie bis zu 1.000 Migranten auf den Weg. Abfahrt: jeden Montag.

Auch Drogen und Waffen werden geschmuggelt

Es ist aber nicht in erster Linie der Menschenschmuggel, der den Behörden in Libyen und Niger Kopfzerbrechen bereitet. An dem verdienen Nigers Armee und die libyschen Milizen mit, an vielen Kontrollposten 20 Dinar pro Nase. Problem sind vielmehr die Drogen.

Shahafdin Barka ist erst 25 aber kriegserfahrener Kommandeur der Einheit „Shuada Umm Ataraneb“ in Luer, einer ehemaligen Militärbasis der libyschen Grenztruppen. Er deutet auf einen ausgebrannten Jeep. „Der Wagen war einer von sechs mit jeweils 250 Kilogramm Drogen. Der Konvoi war auf dem Weg nach Tazerbo in Ostlibyen. Drei Toyotas konnten wir stoppen.“

Es sind meist wüstenerfahrene Tuareg, die im Auftrag von Hintermännern südamerikanische Drogen oder Waffen aus und nach Mali schleusen. Ihre Fahrt durch Libyen beginnt an der algerischen Grenze, in einem Ort namens Salvador. „Wir haben es mit Konvois von bis zu 40 Fahrzeugen zu tun. Sie gehen professionell und streng militärisch vor“, sagt Barka.

Die Grenzpatrouillen fehlt geld für die Ausrüstung - und der Lohn

Seine 120 Milizionäre haben seit dem Ende der Revolution noch kein Gehalt von der Regierung in Tripolis bekommen. „Wir haben nicht einmal Geld für Ersatzreifen“, ärgert er sich und beschreibt, wie er trotzdem arbeitet: „Wir nehmen von den offiziellen Händlern Benzin, die Schmuggler sperren wir für 20 Tage ein, dann müssen sie 4.000 Dinar Strafe zahlen. Die Flüchtlinge schicken wir auf unsere Kosten ins Immigrationszentrum nach Murzuk.“

2.000 Kilometer der meist unmarkierten Sahara-Grenze patrouillieren Milizen wie die „Suhada Umm Atanareb“. Ihre Mitglieder sind meist Toubou und Tuareg, einige unterstehen der neuen libyschen Armee. Ausgestattet sind sie mit Kalaschnikows, Pick-ups und genauer Ortskenntnis. Mit knapp über 20 sind sie so alt wie die meisten Migranten, die sie in der Sahara fest nehmen. „Mit besserer Ausstattung könnten wir die Grenze dicht machen, wir kennen seit Generationen jede Passage durch die Wüste“, sagt Issa Hassan, ein Student in Uniform.

Ein ehemailger Polzeichef sieht schwarz für die Zukunft

All dies seien „ideale Voraussetzungen für die Islamisten aus Ostlibyen, mit ihren schwarzen Al-Qaida-Flaggen,“ meint ein ehemaliger Polizeichef, der anonym bleiben möchte. „Nach der Niederlage in Mali nutzen sie nun Libyen als Basis. Ihr Ziel ist die Bewegungsfreiheit in ganz Nordafrika.“

Nervös nestelt der Mann an seiner Zigarette und zeichnet auf der Karte die Schmuggelrouten in der Sahara nach. „Wenn die Regierung nicht endlich den ethnischen Minderheiten und der Armee in Fezzan bei der Grenzsicherung hilft, sehe ich schwarz für die Zukunft“, analysiert er. „Früher hat Gaddafi Flüchtlinge über das Mittelmeer geschickt, um Europa unter Druck zu setzen. Al-Qaida macht nun den Weg nach Norden für die Extremisten von Boko Haram aus Nigeria frei.“

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