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Archiv-Artikel

WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Steinbach und ihr Weg der Vernunft

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat Recht. Die Bedingungen der Präsidentin des Vertriebenenverbandes Erika Steinbach für einen Verzicht auf einen Sitz im Beirat der Vertriebenenstiftung sind in der Tat ein erpresserischer Versuch, das Anliegen der Stiftung im Sinne Steinbachs zu verändern. Immerhin würde eine Versöhnung – das Hauptanliegen der Stiftung – nachhaltig zerstört, wenn die schwarz-gelbe Regierung dem Diktat der Vertriebenenchefin folgen wollte.

Die CDU-Frau hat sich bei ihrem früheren Versuch schlicht verrannt. Ihr Vorschlag, auf den Sitz zu verzichten, wenn im Gegenzug die Politik auf ihr Vetorecht bei der Besetzung des Postens verzichtet und der Vertriebenenverband größeren Einfluss in diesem Gremium erhält, ist keineswegs ein „Weg der Vernunft“, den Steinbach in ihrer Erklärung für sich in Anspruch nimmt. Es ist ein lausiges Geschacher mit dem Ziel, das Projekt der Erinnerung an die Vertreibung zu einer Privatangelegenheit der Vertriebenenfunktionäre umzudefinieren und die Beziehungen zu Polen zur Geisel ihres Lobbyverbandes zu machen.

Wie man das Thema Zwangsmigration anständig und unaufgeregt verfolgen kann, zeigt das im November 2009 erschienene Buch „Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung in Ost- und Mitteleuropa 1939 bis 1959“, das von der Verlagsgruppe Weltbild aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzt wurde. Die vielfältigen Vertreibungen in der Mitte Europas werden darin nicht nur kartiert, beschrieben und illustriert. Sie werden in einer Tiefe, die ihresgleichen sucht, anschaulich gemacht.

Die politischen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate um den Sitz für die Verbandspräsidentin in der Vertriebenenstiftung ist „singulär, an Peinlichkeit schwer zu überbieten und unserer Demokratie unwürdig“, schreibt Frau Steinbach in ihrer Erklärung. Man möchte ihr zustimmen, sie dann aber doch daran erinnern, wer Gegenstand der Peinlichkeit ist: Erika Steinbach.

Der Autor ist Redakteur der taz Foto: privat