Untypische Hausbesetzung: Zum Büffeln Platz genommen

Studierende der TU Harburg richten sich mit Geschick einfach Lernräume in dem leer stehenden Ex-Gesundheitsamt ein – denn die Hochschule platzt aus allen Nähten

Dürfen sich im ehemaligen Gesundheitsamt einrichten: Studierende der TU Harburg. Bild: Hendrik Doose

HAMBURG taz | Der Deal, der am Montag zustande gekommen ist, kann sich am Ende sehen lassen. Die Studierenden der Technischen Universität (TU) Harburg können das leer stehende Gebäude des Ex-Gesundheitsamtes direkt am TU-Campus als Lernräume nutzen, um sich auf ihre Klausuren vorzubereiten. Denn eine Vorbereitung in den TU-Gebäuden ist für viele unmöglich, weil die Lernräume ausgebucht sind.

Es ist schon eine untypische Hausbesetzung, die sich im Irrgarten 9 abspielt. Ab 7.10 Uhr schleppen Aktivisten Stühle und Bänke in das Gebäude, aus dem vor sieben Monaten das bezirkliche Gesundheitsamt ausgezogen ist. Die Böden der Zimmer werden ausgefegt und gefeudelt und die Teppiche gestaubsaugt, bevor Tische und Stühle zu Arbeitseinheiten kombiniert werden. An einer Eingangstür, die, so sagt es eine Ingenieur-Studentin, „plötzlich offen gestanden hat“, bringen die Akteure ein neues Hausschild an: „Irrgarten Gebäude Q“.

Ein weiteres Schild mit einem Pfeil „Lernräume“ lädt direkt zum Betreten des Gebäudes ein. „Wir wollen alles so schnell wie möglich angenehm machen“, sagt die Studentin. In einem Ex-Warteraum räumen die Besetzer ein Foyer ein, in dem sie die Lernräume selbstverwaltet vergeben.

Seit sieben Monaten steht das Gebäude leer, um das sich sowohl die Studentenvertretung als auch das Präsidium der TU-Harburg als Erweiterungsbau bemüht haben. Bislang waren die Verhandlungen mit der städtischen Sprinkenhof-Immobiliengesellschaft nie zum Abschluss gekommen.

Dabei sind die Kapazitäten der TU überlastet: Von sieben Uhr bis 23 Uhr sind die regulären Lernräume ausgebucht. „Einer muss sich um sieben Uhr anstellen, um für die Gruppe um zehn Uhr einen Raum zu reservieren“, berichtet ein Student. Und jetzt befinden sich die TU-Studis im Klausur-Stress. Im Gegensatz zu anderen Universtäten werden die Klausuren über die gesamte vorlesungsfreie Zeit in den „Semesterferien“ geschrieben. Und gerade die Vorbereitung in kleinen Arbeitsgruppen ist besonders wichtig. „Dass in dieser Situation ein Gebäude direkt am Campus ungenutzt bleibt, widerspricht jeglicher Logik“, sagen die Studierenden.

Gegründet wurde die Technische Universität (TU) Hamburg-Harburg 1978 und sie steht auf dem Areal des Ex-Kinderkrankenhauses "Irrgarten".

Ausgebildet werden Ingenieure in gewerblich-technischen Fachbereichen von Bau, Elektronik, Maschinen und Schiffbau bis Bioverfahrenstechnik.

Ausgelegt ist die TU auf 5.000 Studierende, die in 42 Studiengängen von rund 100 Professoren unterrichtet werden.

Laut offizieller Statistik 2012 sind 6.400 Studierende eingeschrieben.

Die meisten Studierenden neu immatrikuliert haben sich in der TU-Geschichte im Wintersemester im Wintersemester 2012/2013. Es waren 1.400 neuen StudentInnen.

Die Raumverteilungsaktion wird gut angenommen. Um zehn Uhr meldet jemand: „Alle acht Lernräume sind belegt.“ Das veranlasst einige Studenten, mit einem Kleinbus weiteres Mobiliar heranzufahren, um mehr Zimmer zum Arbeiten herzurichten.

Das Präsidium der Universität zeigt Verständnis. Kanzler Hans-Joachim Scheunert nimmt Kontakt zur Sprinkenhof auf, was dazu führt, dass deren Vorstandschef Henning Tants gegen Mittag persönlich kommt, um einen Deal zu unterbreiten: Er schlägt vor, bis Donnerstag mit dem TU-Präsidium einen Vertrag zu erarbeiten, der die temporäre Nutzung erlaubt – so lange, bis der Umbau genehmigt ist. Voraussetzung: Die Besetzung wird beendet. „Können wir nicht bleiben, ich hab’ Donnerstag Klausur?“, wimmert eine Studentin. Tants lehnt das aus haftungstechnischen Gründen ab und fährt weg.

Doch Kanzler Scheunert macht einen weiteren Vorstoß und erreicht die Zusage der Stadt, für die drei Tage ohne Vertrag die Verkehrssicherungspflicht zu übernehmen. Die Studenten können bleiben.

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