Gleichstellung: Hier hat der Mann noch die Robe an

Der Vergleich aller Landesbehörden zeigt: Nirgendwo haben Männer so häufig die Chefposten wie in der Justiz. Im Tiefbauamt dagegen herrscht Gleichberechtigung.

Ausnahmeerscheinung: Eine Frau als Richterin (hier in München) Bild: Peter Kneffel/dpa

In Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Doch im Vergleich aller staatlichen Stellen in Berlin scheitert ausgerechnet die Justiz am stärksten daran, die Vorgaben aus der Verfassung umzusetzen. Nirgendwo sonst gibt es eine so starke Geschlechtertrennung: Männer haben die gutbezahlten Chefposten, Frauen arbeiten auf den schlechter bezahlten und weniger qualifizierten Positionen.

Das ergibt sich aus dem 8080/starweb/AHAB/servlet.starweb?path=AHAB/lisshfl.web&id=nojsflprofi&search=%28%28/DNR,DNRS,KORB,KORD+%28%221100%22%29%29+AND+%28TYP%3DDOKDBEPSEUDOVORGANG%29+AND+%28/WP+17%29%29+AND+ID%3DD-240255&format=WEBDOKFL:Entwurf zum neuen Doppelhaushalt. Dort ist zu jeder Landesbehörde angegeben, wie viel Geld vollzeitbeschäftigte Männer und wie viel vollzeitbeschäftigte Frauen im Durchschnitt verdienen. Die Justiz belegt gleich die schlechtesten sieben Plätze. Bei der Generalstaatsanwaltschaft verdienen Männer 32,8 Prozent mehr als Frauen, beim Kammergericht sind es 30,2 Prozent, beim Landesarbeitsgericht, der Staatsanwaltschaft, dem Landgericht, dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht zwischen 22 und 30 Prozent.

„Das liegt daran, dass der Anteil der Männer unter den Richtern gerade bei den Obergerichten besonders hoch ist“, erklärt Justizsprecherin Lisa Jani. In den „Serviceeinheiten“, wie die Sekretariate dort heute heißen, arbeiten hingegen überwiegend Frauen. Die Ursache dafür sei „die Einstellungs- und Beförderungspraxis der Vergangenheit“, meint Jani. Wer als Richter ans Kammergericht – also die dritte Instanz – will, muss schon eine lange Karriere hinter sich haben. Dort wirkt also noch besonders lange nach, dass Frauen in Richterrobe vor ein paar Jahrzehnten noch die Ausnahme waren.

„Wir steuern seit einigen Jahren ja ganz dezidiert dagegen“, sagt Jani. Unter den neu eingestellten Richtern und Staatsanwälten seien bereits mehr als die Hälfte weiblich. Immerhin sieben von elf Amtsgerichte haben bereits eine Präsidentin. Und auch bei der Staatsanwaltschaft ist der Aufstieg für Frauen leichter geworden, sagt Jani: Die Probezeit für die Beförderung zum Oberstaatsanwalt kann man inzwischen nicht nur in Vollzeit absolvieren, sondern auch in Teilzeit.

Dennoch wird es mit dieser Strategie auch langfristig nicht gelingen, die Lücke zwischen dem Einkommen der Männer und der Frauen bei der Justiz zu schließen. Dazu reicht es nämlich nicht, dass Frauen gleichberechtigt auf die gutbezahlten Richterposten dürfen. Es müssten auch Männer gleichberechtigt die schlechtbezahlten Sekretariatsstellen bekommen. Doch in diese Richtung gibt es keinerlei Anstrengungen.

Es gibt nur zwei größere Landesverwaltungen, in denen Frauen jetzt schon besser verdienen als Männer. Dies ist die Abteilung für Frauen und Gleichberechtigung von Frauensenatorin Dilek Kolat (SPD) und, überraschender, die Abteilung Tiefbau von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Die 275 Mitarbeiter sind für Autobahnen, Hauptstraßen, Brücken, Tunnel und Schleusen zuständig. Und die 100 Frauen sind im Schnitt auf höheren, besserbezahlten Posten als die 175 Männer. „Das ist ungewöhnlich, wir sind ja eigentlich eine traditionell sehr männerdominierte Verwaltung“, sagt Sprecherin Petra Rohland. Gerade in dieser Abteilung gebe es jedoch „taffe Frauen, die da auch den Ton mit angeben“. Das war „sicher ein Umgewöhnungsprozess, vor allem wenn man sich die Strukturen in der alten Bauverwaltung anschaut, da saß im Sekretariat eine Frau und sonst nur Männer“.

Wie hat die Verwaltung dann den Umschwung geschafft? „Es muss eine Akzeptanz dafür im Haus da sein“, sagt Rohland. In der vergangenen Legislaturperiode war die Leitungsspitze vollständig weiblich: Sowohl die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer als auch ihre drei Staatssekretärinnen. Man habe zudem Frauen an Führungspositionen langsam herangeführt – also nicht erst gewartet, bis eine Stelle frei ist und dann geschaut, wer denn dafür in Frage kommt. Und natürlich hat auch die Frauenvertreterin stets darauf geachtet, dass sich bewerbende Frauen auch in die engere Auswahl kommen, sagt Rohland.

Die Frauenförderung an der Spitze jedoch hätte alleine noch nicht gereicht, um das Durchschnittseinkommen der Frauen über das der Männer zu heben. Das klappte nur, weil zu der Abteilung auch die Autobahnmeisterei gehört, die dafür zuständig ist, Schlaglöcher auszubessern oder im Winter Schnee zu räumen. Die Jobs dort sind schlecht bezahlt – und nur von Männern besetzt.

Siehe auch: Liste der Einkommensunterschiede in allen Landesbehörden

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