Diskussion um Asylbewerberunterkünfte: Sehr lax in Hellersdorf

Die Proteste für und gegen ein Asylbewerberheim in Berlin halten an. Innenpolitiker Bosbach will einen Krisengipfel. Das Innenministerium hält dies nicht für nötig.

Eine überflüssige Debatte auf ihre Kosten: Flüchtlinge in Hellersdorf Bild: dpa

BERLIN dpa | Angesichts von Konflikten um Asylbewerberheime wie jetzt in Berlin-Hellersdorf hat der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach ein Krisentreffen gefordert. Am Tisch sollten möglichst rasch Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände sitzen, sagte Bosbach der Saarbrücker Zeitung . Das Thema dürfe nicht den Rechtspopulisten überlassen werden.

Das Bundesinnenministerium sieht derzeit keinen Anlass für einen Krisengipfel von Bund, Ländern und Gemeinden. Ein Sprecher von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte am Mittwoch, die Bundesregierung nehme die Sorgen von Bürgern und Anwohnern sehr ernst. Ihnen müsse mit Besonnenheit und Augenmaß Rechnung getragen werden. Das Thema dürfe aber nicht von radikalen Gruppen zu Propagandazwecken missbraucht werden.

„Wir bekennen uns uneingeschränkt zum Recht auf Asyl und zum Schutz vor Verfolgung“, sagte der Sprecher. Der Anstieg von Asylanträgen stelle eine große Herausforderung für Länder und Kommunen dar. In dieser Frage gebe es mit den Bundesländern bereits eine enge und konstruktive Zusammenarbeit, deshalb sei ein Krisentreffen nicht erforderlich.

In Berlin-Hellersdorf gibt es seit Wochen Proteste – auch von Rechtsextremen – gegen ein neues Flüchtlingsheim in einer ehemaligen Schule. Begleitet von einem starken Polizeiaufgebot sind am Mittwoch Unterstützer und Gegner eines neuen Flüchtlingsheims in Berlin-Hellersdorf auf die Straße gegangen.

Rund 50 Demonstranten aus dem linken Spektrum versammelten sich am Vormittag, um gegen eine Kundgebung der islamfeindlichen Bürgerbewegung pro Deutschland zu protestieren. Die Polizei war mit rund 300 Einsatzkräften vor Ort. Ein Polizeisprecher sagte am Morgen, man gehe von friedlichen Demonstrationen aus. Sollten aber „Emotionen hier und da hochkochen“, wolle die Polizei vorbereitet sein.

Die ersten der 200 Frauen, Männer und Kinder haben seit Montag die Notunterkunft bezogen. Viele von ihnen stammen aus Krisenländern wie Syrien und Afghanistan. Der Berliner Flüchtlingsrat berichtete von mindestens sechs Menschen, die das Haus schon nach kurzer Zeit aus Furcht wieder verlassen hätten.

Am Dienstagabend standen sich Hunderte Befürworter und Gegner in Hellersdorf gegenüber, darunter NPD-Anhänger. Die Polizei nahm insgesamt elf Menschen fest. Am Rande der Demonstration wurde ein Polizist von einer geworfenen Flasche verletzt. Anschließend blieb es in der Nacht zum Mittwoch ruhig.

Pistorius gegen Großunterkünfte

Nach Ansicht Bosbachs ist mehr Personal nötig, um Asylverfahren zu beschleunigen und Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu helfen. Er warnte davor, leerstehende Krankenhäuser oder Schulen in Unterkünfte umzuwandeln, so dass viele Flüchtlinge auf einmal dort einziehen können. „Man muss die Sorgen der Anwohner ernst nehmen.“

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete Aktionen von Rechtsextremisten gegen Flüchtlingsheime als Problem. Vor diesem Hintergrund müssten Kommunen die Entscheidungen für Heimstandorte sorgfältig treffen. „Dazu gehört jeweils auch ein umfassendes Sicherheitskonzept.“ Den Umgang mit dem Thema in Berlin-Hellersdorf bezeichnete sie als sehr lax – auf Kosten der Flüchtlinge.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat sich angesichts wieder ansteigender Flüchtlingszahlen gegen Großunterkünfte ausgesprochen. Nach jahrelang rückläufigen Flüchtlingszahlen seien Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten zurückgefahren worden.

„Jetzt führt die gegenläufige Tendenz dazu, dass mehr Wohnraum für Flüchtlinge benötigt wird. Dies ist jetzt eine Aufgabe, die von den Ländern und Kommunen erfüllt werden muss und die angenommen wird“, sagte Pistorius der Nachrichtenagentur dpa. „Wichtig sind transparente Entscheidungen vor Ort und keine Großunterkünfte.“

Bannmeile gefordert

Berlins Integrationsbeauftragte Monika Lüke hat ein Demonstrationsverbot vor Flüchtlingsheimen gefordert. Sie sprach sich mit Blick auf die Auseinandersetzungen um die Unterbringung von Flüchtlingen unter anderem aus Syrien, Afghanistan und Serbien in Berlin-Hellersdorf für die Einrichtung einer Bannmeile aus. „Die Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut“, erklärte Lüke am Mittwoch. „Sie darf aber nicht auf Kosten der Menschen gehen, die erneut um Leib und Leben fürchten müssen, wenn zu Hass gegen sie aufgestachelt wird.“

Es gehe nicht darum, Sorgen und Kritik von Anwohnern abzuwürgen, erklärte die Integrationsbeauftragte des Senats weiter. Sie befürworte eine vernünftige Einbeziehung der Einwohner aus der Umgebung. Es müssten allerdings einige Koordinaten ganz klar sein: Das Recht auf Asyl sei ein Grundrecht, und auch die Berliner Bezirke seien verpflichtet, Flüchtlinge unterzubringen.

Auf dieser gemeinsamen Basis könne mit Anwohnern und Betroffenen diskutiert werden, wie die neuen Nachbarschaft gestaltet werden könne. Sinnvoll seien Partnerschaften etwa mit Kirchen- oder auch Moscheegemeinden oder Vereinen im Stadtviertel.

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