Gewalt im Gefängnis: Knast macht dicht

Niedersachsens Justizministerin will eine Abteilung der JVA in Braunschweig schließen. Ein 17-jähriger Häftling wurde hier über Monate misshandelt.

Künftig ohne Jugend-U-Haft: die JVA Rennelberg in Braunschweig. Bild: dpa

HANNOVER taz | Nach Misshandlungsvorwürfen eines 17-jährigen Insassen wird die Jugend-Untersuchungshaft-Abteilung der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel in Braunschweig geschlossen. Das teilte Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) am Mittwoch in Hannover mit.

Anfang August hatte sie den Vorfall öffentlich gemacht, nur Tage nachdem das mutmaßliche Opfer der Anstaltspsychologin von körperlichem und sexuellem Übergriffen durch andere U-Häftlinge berichtet hatte.

Seither laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig, die sich wie auch das Justizministerium nicht zum derzeitigen Ermittlungsstand äußern will. Tatverdächtig sind sechs U-Häftlinge, die den 17-Jährigen über zwei Monate hinweg wiederholt misshandelt haben sollen. Niewisch-Lennartz hat umgehend nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine Expertenkommission einberufen. Diese sollte prüfen, ob die Rahmenbedingungen in der Braunschweiger Jugend-U-Haft die möglichen Taten begünstigt haben könnten.

Gewalt in Gefängnissen könne zwar nicht immer verhindert werden, erklärte die Ministerin damals. Aber „wir müssen dieser Kultur der Gewalt entschlossen eine Kultur der Ächtung dieser Gewalt entgegensetzen“. Und schon auf die ersten Einschätzungen der Kommission folgen nun Konsequenzen: Niewisch-Lennartz begründet die geplante Schließung mit den „räumlichen und personellen Verhältnissen vor Ort“, die „keinen ausreichenden Schutz vor Gewalttaten im Dunkelfeld“ bieten.

Miserable bauliche Zustände

So ließen sich etwa Flure, Duschen und Zimmer mit dem vorhandenen Personalaufgebot nicht hinreichend überwachen. Zur Verbesserung der Aufsicht habe man zwar Sofortmaßnahmen ergriffen, erklärte ein Sprecher des Justizministeriums. Die aber führten zu längeren Einschlusszeiten – und könnten schon deshalb „nur vorübergehend hingenommen werden“.

Derzeit prüft das Justizministerium, die Braunschweiger Abteilung mit 21 Plätzen in Ein- und Zwei-Bett-Zellen in die Justizvollzugsanstalt Uelzen zu verlegen. Man sei zuversichtlich, den Umzug in den nächsten drei Monaten umzusetzen, konkretisiert ihr Sprecher. Die Entscheidung, die Jugend-U-Haft in Braunschweig zu schließen, sei völlig unabhängig von der Frage, ob sich die aktuellen Vorwürfe bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bestätigen, betont er. Ein Weiterbetrieb sei angesichts der baulichen Gegebenheiten nicht zu verantworten.

Niewisch-Lennartz sieht unterdessen vor allem die schwarz-gelbe Vorgängerregierung in der Verantwortung. Der „riesige Investitionsstau im Strafvollzug“ zeige sich auch am Beispiel der Baumängel in Braunschweig. Landesgelder hätten besser in deren Beseitigung und moderne Sicherheitstechnik fließen sollen, statt in umstrittene Public-Private-Partnership-Projekte wie in das teilprivatisierte Gefängnis Bremervörde.

Die baulichen Zustände führte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen schon 2012 in einer Studie als eine Ursache für Gewalt in Gefängnissen an. Jeder vierte der knapp 5.000 befragten männlichen Inhaftierten gab an, im vergangenen Monat Opfer körperlicher Übergriffe gewesen zu sein. Bei den Jugendlichen war es nahezu jeder zweite. „Ein Knast ist eben keine Mädchenpension“, kommentierte Niedersachsens Ex-Justizminister Bernd Busemann (CDU), heute Landtagspräsident, damals die Studie.

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