Krach beim „Spiegel“: Revolution muss leider entfallen

Der Widerstand im „Spiegel“ gegen den Mann von der „Bild“ implodiert. Droht nun ein zermürdender Kleinkrieg? Verloren hat auf jeden Fall Büchner.

Manchmal klappen Revolutionen im Spiegel sogar- Bild: ap

Die Palastrevolution beim Spiegel ist gescheitert. Dementsprechend herrsche „Trauerstimmung“ im Hamburger Verlagshaus an der Ericusspitze, berichtet ein Insider. Hatten noch am Montag Ressortleiter und Redakteure in seltener Geschlossenheit gegen die Ernennung von Bild-Vize Nikolaus Blome zum Stellvertreter des designierten Chefredakteurs Wolfgang Büchner rebelliert, implodierte die Auseinandersetzung am Mittwoch durch die einstimmige Zustimmung der Mitarbeiter KG zu einem Kompromissvorschlag.

Der war vor Wochen in internen Verhandlungen sogar schon von ihr aufgeworfen worden, damals aber am Widerstand Büchners gescheitert. Kurz vor seinem Amtsantritt am Montag hat er nun eingelenkt: Nikolaus Blome wird zusätzlich zu seinem Job als Leiter des Berliner Hauptstadtbüros ab 1. Dezember lediglich Mitglied der Chefredaktion.

"Wer Lust hat, das einen Kompromiss zu nennen, kann das gern machen“, sagte Franziska Augstein der taz. „Für mich ist das kein Kompromiss“. In einer von der Nachrichtenagentur dpa verbreiteten Erklärung hatte die Tochter von Magazingründer Rudolf Augstein und Spiegel-Miteigentümerin am Mittwoch die Entscheidung für Bild-Vize Nikolaus Blome erneut als mit dem Geist des Spiegel unvereinbare „Katastrophe“ scharf kritisiert.“Dieses Blatt für wirtschaftliche und politische Aufklärung“, sagte Augstein der taz, dürfe nicht zu einem „Infotainment-Teig“ aufgeweicht werden.

Augstein, als Teil der Erbengemeinschaft mit 24 Prozent der Anteile am Spiegel beteiligt, hat in den letzten Tagen mit Radio- und Fernsehinterviews das Erbe ihres Vaters zu verteidigen versucht, während ihr Halbbruder Jakob, Sprecher der Erben, für Blome eintrat. Einfluss aufs operative Geschäft haben die Augsteins als Minderheitsgesellschafter nicht – was wiederum das Interesse von Jakob Augstein an einer Schlüsselposition für seinen Buddy Blome erklärt. In wichtige Entscheidungen wie die Berufung von (stellvertretenden) Chefredakteuren eingebunden ist hingegen die Geschäftsführung der Mitarbeiter KG, die jedoch nicht nur die Interessen der Journalisten beim Spiegel vertritt, sondern auch von Dokumentaren und sonstigen Verlagsangestellten. Darin liegt eine der Ursachen für den von Redaktionsseite als „unbefriedigende Lösung“ bezeichneten Burgfrieden.

Zweifelhafte Rolle

Bei den nichtjournalistischen Mitgliedern der KG überwog das Interesse an Ruhe im Karton. Eine Trennung von Blome und damit wohl auch Büchner hätte den Verlag nachhaltig geschwächt und eine arbeitsrechtliche Schlammschlacht ausgelöst, die auf Kosten der Gewinnbeteiligung der KGisten gegangen wäre. Darüber hinaus hat die gewählte Geschäftsführung der Mitarbeiter KG ein starkes Interesse daran, ihre zweifelhafte Rolle in der Causa Blome vergessen zu machen und eine eventuell drohende Abwahl abzuwenden: Weite Teile der Redaktion fühlen sich von ihr verraten, für die Abwehrschlacht instrumentalisiert, um dann doch einzuknicken.

In dem „Scheinkompromiss“ sehen sie ihre Interessen nicht gewahrt, da er hinter die am Montag eindeutig geäußerte Ablehnung Blomes deutlich zurückfällt. Die Ressortleiter hatten sich in ihrer Erklärung zwar nur gegen ihn als stellvertretenden Chefredakteur gewendet, viele Redakteure halten ihn aber aufgrund seiner Bild-Vergangenheit auch für ungeeignet als Hauptstadtbüroleiter.

Auffällig still verhielten sich Teilnehmern zufolge in der Eklatredaktionskonferenz am Montag die Ressortleiter von Spiegel Online, die sich von ihrem früheren und künftigen Chef Wolfgang Büchner eine (auch finanzielle) Aufwertung ihres internen Standings erhoffen. Bislang sind Spiegel-Online-Angestellte nicht in der Mitarbeiter KG vertreten, folglich also auch nicht am Unternehmensgewinn beteiligt, den sie durch ihre Arbeit mehren. Es waren die Printredakteure, die gegen Blome und Büchner kämpften. Und auch wenn ihre Rebellion letztlich gescheitert ist, freut sich ein altgedientes Redaktionsmitglied darüber, dass der „privilegierte Dämmerschlaf der Luxusexistenzen“ vorerst beendet und das politische Bewusstsein wieder erwacht sei.

Verloren hat bei diesem Kampf auch Büchner, der schon vor Amtsantritt stark an Respekt eingebüßt hat. „Freundlich-unbedarft“ lautet einer der wohlmeinenderen Kommentare zum Wesen des künftigen Chefredakteurs. Die interne wie öffentliche Verwunderung über sein Krisenmanagement und Fassungslosigkeit über die politische Beliebigkeit, mit der er den neuen Job angeht, belasten ihn und den Spiegel.

„Wir reden über ein Unternehmen, wo Menschen kollegial und vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen“, sagte Franziska Augstein der taz, „und diese Zusammenarbeit beginnt mit einem Machtkampf?!“ Mit dieser rhetorischen Frage bringt sie die Ungewissheit schön auf den Punkt, die Büchners Start begleitet: Wird er die Situation entspannen können oder droht ein zermürbender Kleinkrieg gegen die Redaktion?

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