Kommentar Haasenburg: Verfrühte Entwarnung

Ministerin Münch gibt grünes Licht für eine Wiedereröffnung eines Haasenburg-Heims. Viel zu früh! Denn es hat sich nichts geändert.

Geschlossene Türen. So ist brav. Bild: dpa

Die Entscheidung von Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch, eines der Heime der Haasenburg GmbH zur Wiedereröffnung freizugeben, ist fatal. Nichts könnte diesen Schritt rechtfertigen. Im Gegenteil: Die zwei Jungen, die Anfang Juli flüchteten und Misshandlungsvorwürfe erhoben hatten, sind nach Rückkehr ins Heim bei nächster Gelegenheit erneut geflohen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter. Und nach taz-Informationen entscheiden viele Jugendliche erst in diesen Tagen, ob sie eine Anzeige erstatten. Die von der Ministerin eingesetzte Untersuchungskommission ist noch am Werk. Nicht einmal der angekündigte Zwischenbericht liegt vor. Auf die Idee, externe Wissenschaftler mit einer Evaluation zu beauftragen, scheint die Ministerin erst gar nicht zu kommen.

Es bleibt festzuhalten: Die Ministerin hat sich dem Druck eines privaten Betreibers gebeugt. Aus Angst vor Schadenersatzforderungen. Zum Nachteil aller Kinder und Jugendlichen, die in dieses Heim kommen oder dort bleiben. Die vielfach dokumentierten Missstände versieht die Ministerin mit einem Verfallsdatum. Vorfälle, die wenige Jahre zurückliegen, könnten nicht Grundlage sein, um der Haasenburg GmbH die Betriebsgenehmigung zu entziehen.

Dass nun eines der drei Heime besser sein soll als die anderen beiden, ist nicht plausibel, wenn man die Berichte der Jugendlichen hört. Die Vorwürfe beziehen sich auf alle drei Heime dieser Firma. Die Auflagen der Ministerin sind taktisch und halbgar. Es sollen jene Ämter stärker in die Pflicht genommen werden, die laut Gesetz ohnehin schon in der Pflicht sind.

Jene Jugendämter, die von Misshandlungen seit Jahren nichts wissen wollten. Nötig wäre es, dem Träger die körperlichen Begrenzungen im Stehen und auf dem Boden ganz zu untersagen. Besser wäre es, einem Träger, der solche Konzepte umsetzt, die staatliche Alimentierung zu streichen und das Heim zu schließen.

Auch sollte nicht gestattet sein, dass Kinder gegen ihren Willen wochenlang in ihren Zimmern in Einzelbetreuung leben. Dass sie körperlich begrenzt werden, und es dazu später nur Protokolle aus Sicht der agierenden Betreuer gibt. Ohnehin bezweifeln viele Erziehungswissenschaftler den Erfolg von Einrichtungen, in denen so viele Kinder mit derartigen Problemen gemeinsam erzogen werden sollen.

In Brandenburg muss mehr passieren. Nötig wäre eine Untersuchung, die das Etikett der Unabhängigkeit auch verdient. Experten dafür gibt es. Und die Aufarbeitung muss dringend durch einen Parlamentarischen Untersuchungsauschuss erfolgen. Die Frage etwa, ob die Heimaufsicht die Fixierliegen wirklich erst nach fünf Jahren bemerkte, ist immer noch nicht geklärt.

Wenn ein privater Träger die Aufsichtsbehörde derart an der Nase herumgeführt haben sollte, ist auch dies ein Grund, ihm keine Kinder mehr anzuvertrauen. Die Aufklärung ist noch lange nicht beendet. Die Ministerin und ihr Apparat - das wird deutlich - schaffen diese so nötige Aufklärungsarbeit nicht aus eigener Kraft.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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