Vater eines Opfers im NSU-Prozess: „Er hat keine Antwort gegeben!“

Ismail Yozgat schildert im NSU-Prozess, wie er seinen erschossenen Sohn fand. Über den geplanten Auftritt eines Verfassungsschützers gibt es Streit.

Die Eltern des vom NSU ermordeten Halit Yozgat im Gerichtsaal. Vom Staat erwarten sie kein Geld, nur Gerechtigkeit Bild: dpa

MÜNCHEN dpa | Es war der bislang emotionalste Zeugenauftritt im NSU-Prozess: Am Dienstag schilderte der Vater des ermordeten Halit Yozgat, wie er seinen Sohn erschossen in seinem Internetcafé in Kassel fand. Er sei am späten Nachmittag in den Laden gekommen, um seinen Sohn abzulösen, der die Abendschule besuchte. Dort habe der 21-Jährige in seinem Blut hinter dem Empfangstisch gelegen.

„Ich habe meinen Sohn in meine Arme genommen, aber er hat keine Antwort gegeben“, rief Ismail Yozgat auf Türkisch. Er sprang im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichtes München auf und rief immer wieder: „Er hat keine Antwort gegeben!“

Seine Frau, die bei der Aussage direkt hinter ihm saß, und sein Anwalt hatten sichtlich Mühe, den aufgebrachten Vater wieder zu beruhigen. Der Dolmetscher kam teilweise kaum mit der Übersetzung mit.

Als ihn der Richter fragte, wie er seinen Sohn gefunden habe, legte sich Yozgat auf den Boden, um die Position zu demonstrieren. Die Angeklagten verfolgten den Auftritt – wie meistens in diesem Prozess – ohne sichtbare Regung, auch als Yozgat direkt fragte: „Mit welchem Recht haben Sie das getan?“

Verdächtigt, sowohl von Deutschen als auch Türken

Yozgat beklagte, dass die Familie verdächtigt worden sei. „Wir haben uns fünfeinhalb Jahre nicht getraut, als Familie hinauszugehen. Alle haben uns feindselig angeschaut, sowohl die Deutschen als auch die Türken.“ Er sei gefragt worden: „Warum haben sie deinen Sohn getötet, wegen Haschisch oder Heroin?“

Halit Yozgat wurde der Anklage zufolge am 6. April 2006 von den Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen. Er war das neunte und letzte Opfer der Mordserie an türkisch- und griechischstämmigen Geschäftsleuten. Beate Zschäpe ist als Mittäterin an sämtlichen Anschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) angeklagt. Sie soll für die legale Fassade des Trios gesorgt haben.

Ismail Yozgat wiederholte auch vor Gericht seine Bitte, die Holländische Straße in Kassel in Halitstraße umzubenennen. Sein Sohn sei dort geboren worden und dort auch ermordet worden. „Ich wäre Ihnen bis zu meinem Tod dankbar, wenn Sie das veranlassen könnten.“ Die Stadt hatte 2012 einen Platz an einer Kreuzung der Holländischen Straße als Halitplatz benannt und einen Gedenkstein aufgestellt.

Yozgat betonte, dass die Familie kein Geld vom Staat wolle. „Wir wollen, dass die Justiz gut funktioniert, dass die Gerechtigkeit ihren Platz bekommt.“ Er habe aber volles Vertrauen in das Gericht.

Zeugenauftritt verschoben

Am Nachmittag sollte ein früherer Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes als Zeuge vernommen werden, der zur Zeit des Mordes im hinteren Raum des Internetcafés am Computer saß. Seine Anwesenheit am Tatort war Anlass für viele Spekulationen, denn er meldete sich nicht als Zeuge bei der Polizei.

Angeblich hatte er von dem Mordanschlag nichts mitbekommen. Ermittlungen gegen ihn wurden jedoch eingestellt. Die Anklage im NSU-Prozess geht nun davon aus, dass er zufällig am Tatort war.

Anwälte der Nebenklage beantragten allerdings kurz vor der Mittagspause, weitere Akten über frühere Ermittlungen gegen den Zeugen einsehen zu können. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Vernehmung bis zu einer Entscheidung über den Antrag verzögert.

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