Sonderausschuss "Chantal": Drogentests für Familien

Der Sonderausschuss "Chantal" endet mit nicht ganz einstimmiger Empfehlung. Personalbedarf, Kontrolle der Jugendämter und Drogentests sind weiter umstritten.

Schock in der Nelson-Mandela-Schule: Blumen, Texte und ein Bild erinnern an die Mitschülerin Chantal. Bild: dpa

Der Ausschuss schließt die Akten. Eindreiviertel Jahre nach dem Methadon-Tod des elfjährigen Pflegekindes Chantal hat der nach dem Mädchen benannte Sonderausschuss seine Arbeit am Dienstag beendet. Zum Abschluss verabschiedeten fast alle Parteienvertreter ein gemeinsames Petitum. Nur der Abgeordnete Mehmet Yildiz von der Linken mochte dem Abschlusspapier nicht zustimmen, weil er in ihm vor allem „ein Abnicken der Vorgaben des Senators Scheele“ sieht. Eine Wertung die der Ausschussvorsitzende Gunnar Eisold (SPD) als „anmaßende Unterstellung“ bezeichnete und zu der die grüne Abgeordnete Christiane Blömeke feststellte: „Ich fühle mich nicht gegängelt vom Senat. Wir haben in diesem Ausschuss viel Eigenes erarbeitet.“

In dem Petitum geht es vor allem darum, das Pflegekinder- und Pflegeelternwesen weiterzuentwickeln, die Arbeit der Jugendämter besser zu kontrollieren und ihre Zusammenarbeit mit freien Trägern schärfer zu fassen. Auch bessere Schulungen und Fortbildungsangebote für MitarbeiterInnen der Pflegekinderdienste fordert die Vier-Parteien-Koalition.

„Optimierung, Standardisierung und Qualitätsmanagement“ lauten die zentralen Vokabeln des Papiers. Neue Strukturen sollen dazu beitragen, dass Kinder nur noch an geeignete Pflegeeltern vermittelt werden und dass engmaschiger kontrolliert wird, wie sie mit dem anvertrauten Kind umgehen.

Am 16. Januar 2012 stirbt die elfjährige Chantal an einer Überdosis Methadon, das ihre drogenkranken Eltern in der Wohnung aufbewahrten: Als Konsequenz mussten die zuständige Jugendamtschefin Pia Wolters und ihr Vorgesetzter Markus Schreiber, der Bezirksamtsleiter in Mitte, zurücktreten. Als Reaktion ordnet Sozialsenator Detlev Scheele (SPD) Drogentests für die Mitglieder von Pflegefamilien an und Pflegeeltern sollen künftig ein Führungszeugnis vorlegen. Außerdem lässt er die Akten aller 1.300 Pflegefamilien auf Auffälligkeiten hin prüfen. Zur Aufklärung wird der "Sonderausschuss zum Tod des Mädchens Chantal" eingesetzt und nimmt am 19. Juni 2012 seine Arbeit auf. Am Dienstag hat der Ausschuss seine Arbeit beendet.

Doch bei aller Einigkeit blieben zahlreiche Streitpunkte aus dem gemeinsamen Votum ausgeklammert: So scheitere die Forderung der Grünen nach zusätzlichem Personal in den Jugendämtern und den Pflegekinderdiensten an der regierenden SPD. Nur so aber, klagt Christiane Blömeke, gebe es „genügend Zeit für Hausbesuche und persönliche Gespräche“. Sie habe „überhaupt kein Verständnis dafür“, sagt Blömeke, „dass die SPD dieses wichtige Thema noch immer nicht anfasst“.

Auch die CDU blitzte mit ihrem Vorstoß ab, die Kontrolle der Jugendämter weiter zu verschärfen und die Inspektion „mit weitreichenden Interventionsrechten gegenüber den Jugendämtern“ auszustatten. Alle anderen Parteien lehnten eine solche schnelle Eingreiftruppe ab.

Hoch umstritten bleiben auch die obligatorischen Drogentests für alle volljährigen Haushaltsangehörigen von Pflegefamilien, die Sozialsenator Detlev Scheele als Reaktion auf Chantals Todesumstände angeordnet hat. Den Grünen geht das zu weit, zudem bringe ein einmaliger Drogentest nur „eine Momentaufnahme und damit Scheinsicherheit“.

Die CDU hingegen würde die Drogentests gerne noch verschärfen und über den Pflegekinderbereich auf alle Eltern ausdehnen, die die Heroin-Ersatzdroge Methadon verschrieben bekommen. Sie sollen im Regelfall die Ersatzdroge nicht mehr zu Hause einnehmen dürfen und regelmäßig untersucht werden, ob sie Alkohol oder andere Drogen konsumieren. Auch dieser Vorstoß – der mit dem Thema Pflegekinder nur wenig zu tun hat – wurde von allen anderen Parteien abgelehnt.

Während die FDP ihre Ergänzungsvorschläge bereits in das gemeinsame Petitum eingearbeitet sah und es CDU und Grünen am Dienstag gelang, einzelne ihrer Anliegen noch unterzubringen, übte allein die Linkspartei Fundamentalopposition. Sie lehnte das Petitum ab und erhielt dafür Schelte von allen anderen Parteien.

Die Linke hätte gern „das gesamte Jugendhilfesystem unter die Lupe genommen“. Für sie liegt der Schlüssel dafür, dass sich der Fall Chantal nicht wiederholt, in einer „erheblich besseren Ausstattung der Allgemeinen Sozialen Dienste“ und dem „Verzicht auf ein ausschließlich betriebswirtschaftliches Pflegekinderwesen“. SPD und CDU schmetterten die Ergänzungsvorschläge der Linken ab.

Die Grünen und die FDP stimmten einzelnen Punkten zu, etwa der Forderung, die Bedürfnisse von Pflegekindern mit Migrationshintergrund bei der Auswahl und Fortbildung der Pflegeeltern stärker zu berücksichtigen. „Die Fraktion der Linken hat keinerlei konstruktive Vorschläge vorgelegt“, behauptete hingegen Christoph de Vries (CDU) zur Pflege der gegenseitigen Abneigung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.