Politische Zwietracht: Lampedusa-Gruppe greift Kirche an

Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ ist von der Nordkirche enttäuscht. Die habe mit dem Senat über ihre Zukunft entschieden – ohne die Gruppe einzubeziehen.

Hat einen offenen Brief an die Nordkirche geschrieben: die Gruppe "Lampedusa in Hamburg". Bild: DPA

Lange hat sie sich zurückgehalten. Nun übt die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ Kritik am Verhalten der Nordkirche. In einem offenen Brief wirft die Gruppe der 300 Afrikaner der Bischofskanzlei vor, über ihre Köpfe hinweg mit dem Senat über ihr Schicksal entschieden zu haben. Die Kirche hält diese Anschuldigung für unhaltbar. Sie sieht sich nach wie vor in der Rolle des Vermittlers zwischen den Flüchtlingen und dem Hamburger Senat.

Bisher gab es zwischen der Kirche und der Lampedusa-Gruppe vor allem Differenzen über die strategischen Ziele. Beide Parteien teilen zwar die Forderung, dass die Flüchtlinge in der Stadt ein Bleibe- und Arbeitsrecht bekommen sollen. Doch die Kirche hält die von den Flüchtlingen geforderte Gruppenlösung nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes für politisch nicht umsetzbar. Um dieses Bleiberecht für „bestimmte Ausländergruppen“ aus humanitären Gründen umzusetzen, bedarf es eines Einvernehmens der Landesbehörde mit dem Bundesinnenministerium.

Die Lampedusa-Gruppe betrachtet die vom Senat nach Gesprächen mit der Kirche in Aussicht gestellte Duldung für die Zeit des individuellen Aufenthaltsverfahrens nicht als eine „konstruktive Lösung, sondern als ein Spiel auf Zeit, um uns später einzeln abzufertigen“.

Über 100 Juristen und eine Verfassungsrichterin appellierten Ende vergangener Woche an den Senat, der Lampedusa-Gruppe ein humanitäres Bleiberecht nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes zu gewähren.

Dass die Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis in individuellen Verfahren beantragen, sei kein gangbarer Weg, weil der Senat immer wieder signalisiert habe, diese Anträge abzulehnen, erklären sie.

Keinen rechtsstaatlichen Grundsatz gebe es unter diesen Umständen, nach dem die Identität preisgegeben oder ein Asylantrag gestellt werden müsse.

Nur die angestrebte Gruppenlösung sei ein erster Schritt in Richtung eines menschenwürdigen europäischen Asylsystems.

Denn für die 300 Afrikaner, die vor dem Libyen-Krieg nach Lampedusa geflüchtet waren und im letzten Winter Hamburg erreichten, steht viel auf dem Spiel: „Wir sollen uns in individuelle Aufenthaltsverfahren begeben. Unser von Italien anerkannter Flüchtlingsstatus wird gegen eine Duldung eingetauscht.“ Die Gruppe fürchtet, dass der Senat nicht die Absicht hat, ihre Aufenthaltsgründe anzuerkennen und sie abschieben wird.

Gleichzeitig bedankt sich die Gruppe in dem Brief für die große Unterstützung aus den christlichen Gemeinden in Hamburg. Der Dank gelte insbesondere der Unterbringung und Versorgung in St. Pauli aber auch in vielen anderen Stadteilen, wie der afrikanischen Gemeinde der Erlöserkirche Borgfelde, die die Flüchtlingen jede Woche zweimal mit warmem Essen versorgt und ihren Kirchraum für ihre Versammlungen offen halte.

„Wir schätzen es so hoch, wie ihr uns alle seit Monaten helft, zu überleben und wie viele von Euch mit uns zusammen für unser Aufenthaltsrecht protestieren“, erklärt die Gruppe. „Doch warum entscheidet sich die Kirchenführung in einem Moment, in dem eine riesige Solidarität mit uns entsteht, für eine Zusammenarbeit mit dem Senat gegen unsere Interessen? Warum wird nicht akzeptiert, dass wir für unser Leben entscheiden?“

Dazu will sich die Nordkirche nicht äußern. Auf taz-Anfrage sagt deren Sprecher Mathias Benckert: „Auf offene Briefe antwortet die Landeskirche grundsätzlich nicht.“

Die Gruppe erklärt, sie habe gehört, dass der Druck des Senats auf die Bischöfin und die Pastoren der St. Pauli-Kirche groß sei. Doch dann wäre es fair, das so zu sagen, statt der Gruppe in den Rücken zu fallen und zu versuchen, Einzelne zu überreden, dem zweifelhaften Vorschlag zu folgen.

Die Mehrheit lehne diesen Weg wegen der ablehnenden Haltung des Senats ab. „Wir haben niemanden beauftragt, in unserem Namen zu verhandeln und immer direkte Gespräche mit dem Senat gefordert.“

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