SPD-Abstimmung zum Koalitionsvertrag: Gabriel und die Musterrede

Die SPD-Führung kämpft an der Basis um Zustimmung für ihre Politik. Mit Bitten, drängenden Argumenten und einer Rede zum Runterladen.

Käffchen muss sein: Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft bei der Regionalkonferenz in Kamen Bild: dpa

BERLIN taz | Die Sache mit der Musterrede ist ja nur so ein Detail. Man kann sie herunterladen. Und SPD-Mitglieder können sie sich dann gegenseitig vorlesen (siehe unten). Darin steht eigentlich das meiste schon geschrieben – dass es ein schwerer Weg war bis hierher. Und dass es jetzt aber heißt: Ja sagen zur Großen Koalition. Die SPD-Führung kämpft an der Basis um Stimmen für ihr neues Regierungsprojekt. Und sie bringt viele Versprechungen mit. Mindestlohn, Verbesserungen bei Rente und doppelter Staatsbürgerschaft.

Am Wochenende stellte SPD-Chef Sigmar Gabriel nun noch zusätzlich klar: Die Hälfte der SPD-Ministerposten werde an Frauen gehen. Zwar sagte er nicht, wer die Posten bekommt – aber immerhin, eine Info.

Solche Infos sind wichtig, denn die SPD lässt zurzeit ihre 475.000 Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Das Ergebnis soll am 14. Dezember feststehen. Und laut Umfragen ist derzeit eine große Mehrheit der SPD-Anhänger bereit, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen.

Gemeinsam mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft warb Gabriel am Sonntag in Kamen bei einer SPD-Regionalkonferenz für eine Zustimmung der Basis zur Großen Koalition. Auch in Hannover und in Nürnberg baten Spitzenpolitiker mit Verweis auf den Mindestlohn und andere schöne Dinge um ein Ja. Dennoch warnte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ihre Genossen vor verfrühtem Optimismus und drohte sinngemäß: Jedes Mitglied müsse sich im Klaren sein, dass ein „Nein“ ein Beben in der Partei auslösen würde.

Öffentlicher Widerspruch

Denn die SPD-Führung erntet durchaus öffentlichen Widerspruch. Der Türkischen Gemeinde etwa gehen die geplanten Regelungen zur doppelten Staatsbürgerschaft nicht weit genug. Und im Hinblick auf die umstrittenen Pläne zur Vorratsdatenspeicherung ist die Entrüstung in Teilen der Partei groß.

Um zu begründen, warum die Massenspeicherung von Telefondaten wichtig sei, hatte Gabriel zuletzt erklärt, beim Breivik-Attentat in Norwegen 2011 habe die Vorratsdatenspeicherung dabei geholfen, den Täter schnell dingfest zu machen.

//spd-netzpolitik.de/bund/sigmar-gabriels-norwegisches-maerchen-ueber-die-vorratdatenspeicherung:Sein Parteichef erzähle Märchen schrieb daraufhin SPD-Mitglied Markus Winkler in einem viel beachteten Beitrag in einem SPD-Blog – denn die Vorratsdatenspeicherung wurde in Norwegen weder zum Zeitpunkt der Tat angewendet, noch wird sie es heute. „Wenn man die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht stellt, dann kann man schwer erklären, dass wir als Sozialdemokraten für die Freiheit der Menschen kämpfen“, sagte Winkler am Sonntag der taz.

Sven Kohlmeier ist rechts- und netzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Er weiß noch nicht, wie er bei dem Mitgliederentscheid stimmen wird. Einerseits hat auch Kohlmeier schwere Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung – andererseits freuten sich Wähler in seinem Wahlkreis über eine abschlagsfreie Rente mit 63.

Kohlmeier will sich darüber jetzt in Ruhe Gedanken machen. Er verstehe, dass in einem basisdemokratischen Prozess Informationen wichtig seien. „Aber mir gleich eine Musterrede vorzulegen, ist wirklich überflüssig.“

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