: Philosophisch neu
Senatorin Dinges-Dierig verteidigt Schulreformgesetz. Einen zentralen Personalrat soll es weiter geben. Sogar Noten in der Grundschule stehen zur Disposition. Neue Schulstruktur wird verschoben
Von Kaija Kutter
Als vor einer Woche per Indiskretion der Entwurf für das neue „Schulreformgesetz“ publik wurde, warnten Kritiker wie der Schulleiterverband bereits wieder vor einer „Wand“, gegen die die Bildungssenatorin das Schulsystem fahre. Gestern versuchte Alexandra Dinges-Dierig (CDU), die Wogen zu glätten. Sie warb für das Gesetz, das im Kern die „selbstverantwortete Schule“ zum Ziel habe.
Bei den Personalräten machte sie sogar einen Rückzieher. So solle es für „grundsätzliche Angelegenheiten“ doch weiter einen „Gesamtpersonalrat“ für Lehrer geben. In dem Entwurf war dieser Passus gestrichen. Allerdings sagte Dinges-Dierig, es sei „noch im Gespräch“, wie die fünf Schulabteilungen künftig in den Räten abgebildet würden. Da künftig die Schulleiter Dienstherrenstatus haben, soll es daneben Personalräte an den Schulen geben, um über schulbezogene Angelegenheiten zu verhandeln. Dafür sollen wie bisher 46 Stellen bereit stehen.
Dinges-Dierig wehrte sich gegen den Vorwurf, ihre Reform komme zu schnell und überfordere die Schulen. So müssten die Rektoren die Personalverantwortung erst ab Sommer 2007 übernehmen. Ebenso wie beim geplanten Selbstbewirtschaftungsfonds handle es sich hier zudem „um Forderungen der Schulen“. Da Schulleiter sich immer wieder über die Einmischung der Behörde bei der Personalauswahl beklagt hätten, könne sie sich die Ablehnung des Schulleiterverbands nicht erklären. Dinges-Dierig: „Das ist ein Widerspruch für mich, den ich im Gespräch noch aufklären muss.“
Das Schulreformgesetz, das im Mai vom Parlament verabschiedet werden soll, beinhaltet auch Detailfragen wie die Pflichtteilnahme von Vorschulkindern an Sprachförderkursen. Im Kern jedoch werde eine „neue Philosophie“, so die Senatorin, eingeführt, mit der Schulen Verantwortung übernehmen sollen. Es könne nicht sein, „dass die Hälfte einer Klasse eine fünf schreibt und der Lehrer sich nicht verantwortlich fühlt“.
Nach Auswertung der Grundschulstudien Kess und Iglu werde deutlich, dass der größte Verbesserungsbedarf in den Klassen 5 bis 10 liege. Die Schulen sollen nun „in bis zu 50 Bereichen selbst Ziele“ bestimmen, die sie mit der Behörde vereinbaren. Ein zentraler Punkt ist hier die Abbrecherquote, die in Hamburg zwischen elf und zwölf Prozent liegt. Es wäre „gut“, so Dinges-Dierig, „wenn wir unter fünf Prozent kommen“. Alle Schulen müssten sich hier „auf den Weg machen“. Speziell für Grundschulen sollen auch die Erfolge in der Sprachförderung in die jährlichen Vereinbarungen eingehen. Werden die Ziele mehrfach hintereinander verfehlt, werde es einen Punkt geben, so Dinges-Dierig, wo ein „Pflichtcoach oder verpflichtende Fortbildung“ angewiesen wird.
„Während des Schuljahrs“, so Dinges-Dierig, „agieren die Schulen völlig allein.“ Allerdings gibt es weiterhin Grenzen für die Methodenwahl. Ziffernnoten in der Grundschule beispielsweise wurden 2003 wieder eingeführt. Dinges-Dierig überraschte gestern mit der Ankündigung, dass das Schulreformgesetz diese Frage wieder offen lasse: „Unser Ziel ist, in der Grundschule keine Vorschriften zu machen.“ Bis dies aber in eine Verordnung umgesetzt werden könne, sei noch Zeit und Überzeugungsarbeit nötig. Denn bei den Lehrern renne sie damit „offene Türen ein, aber nicht bei den Eltern“.
Überraschend war auch Dinges-Dierigs Einlassung zur aktuellen Strukturdebatte: „Eine Schulstrukturreform“, so sagte sie, „ist in dieser Legislaturperiode nicht umsetzbar.“ Wohl aber müsse man „jetzt die Diskussion führen, weil die Schulen Sicherheit brauchen“. CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann hatte dagegen angekündigt, das Modell eine zweigliedrigen Schulsystems mit Gymnasium und Mittelschule sei noch vor der nächsten Wahl umzusetzen.