„Love Is Strange“ auf der Berlinale: Der schleichende Liebeskummer

In pittoresken Bildern erzählt Ira Sachs in „Love Is Strange“ vom Liebesalltag zweier Männer – ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben.

Getrennt scheinen sie nur die Hälfte eines Ganzen: George (Alfred Molina) und Ben (John Lithgow). Bild: Berlinale

Diese Liebesgeschichte ist politisch. Schließlich kam Regisseur Ira Sachs die Idee dazu, als 2011 in New York die Ehe auch für Homosexuelle legalisiert wurde. Und nein, Sachs erhebt nie den moralischen Zeigefinger. Er vertraut voll auf seine Geschichte, die nicht herzerwärmender sein könnte.

George und Ben sind seit 39 Jahren ein Paar und haben beschlossen zu heiraten. Sie zelebrieren ihre Hochzeiten mit Familie und Freundinnen und Freunden. Bens angeheiratete Nichte hält eine Rede und macht in ihr deutlich: Alle diese Menschen schauen zu diesem Paar auf, zu ihrer Liebe. Schöner könnte es nicht sein, doch dann verliert George seine Stelle als Musiklehrer an einer katholischen Schule.

Zwar ist seine Homosexualität allen bekannt – Eltern, Schülerinnen und Schülern und auch dem Direktor –, aber seine Hochzeit mit einem Mann geht dann doch zu weit. Auch hier widersteht Sachs der Versuchung zu moralisieren, denn Georges Kündigung ist der Wendepunkt für Sachs’ Erzählung.

Das Paar ist gezwungen, das Apartment zu verkaufen, weil beide ohne Georges Einkommen die Hypothek nicht bezahlen können. Während sie also eine neue Unterkunft suchen, kommen sie bei Freunden und Familie unter – und müssen sich räumlich trennen. George zieht zu „Polizeifrauen“ – wie er das befreundete Polizistenpaar nennt. Ben hingegen landet bei seinem Workaholic-Neffen, dessen Frau, die als Autorin von zu Hause arbeitet, und deren pubertierendem Sohn. Selbstverständlich sorgt das für Schwierigkeiten – die Polizisten feiern die ganze Zeit, die Familie hat ihre eigenen Probleme.

Subtiler Humor statt Sitcom

Anstatt seine Geschichte in eine Sitcom zu verwandeln, bleibt Ira Sachs aber seinem subtilen Humor, welcher sich durch den ganzen Film zieht, treu. Er vertraut seinen Dialogen, die er gemeinsam mit Mauricio Zacharias geschrieben hat. An einer Stelle sagt Ben am Telefon zu George: „Manchmal, wenn man mit Leuten zusammenwohnt, kennt man sie besser, als man eigentlich je wollte.“

Sachs konzentriert sich aber nicht auf die Differenzen und Schwierigkeiten einer ungewohnten Wohnsituation, sondern zeigt, wie schwer es für George und Ben ist, getrennt voneinander zu leben – abends schleicht sich bei beiden der Liebeskummer ein und jedes Wiedersehen ist tränenreich. Getrennt scheinen sie jeweils die Hälfte eines Ganzen.

„Love Is Strange“ (Ira Sachs):

Samstag, 8. 2., Zoo Palast 1, 21 Uhr;

Sonntag, 9. 2., Cinemaxx 7, 12.45 Uhr;

Sonntag, 16. 2., Zoo Palast 1

Alfred Molina und John Lithgow spielen George und Ben so wärme- und würdevoll. Sie schaffen es, ihre Charaktere ohne Überidealisierung zu spielen und ohne sie zu konterkarieren, sie lassen sie nicht in Kitsch abdriften. Sie behalten ihre Mängel. Vor allem lassen Molina und Lithgow dem restlichen Cast Raum (zum Beispiel Marisa Tomei), sie überspielen sie nicht. Zwar bleibt bei den anderen Figuren viel im Vagen, im Ungewissen, doch die Bedürfnisse der beiden Männer werden deutlich.

In fast schon pittoresken Bildern erzählt Sachs diese New Yorker Geschichte eines Paares. In einer der schönsten Szenen des Films laufen George und Ben abends Arm und Arm durch das West Village. Diese Szene sagt in ihrer Simplizität alles aus – das ist Liebe.

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