Der Rückblick aus Sotschi: Zwei Wochen mit Wladimir

Der Personenkult um den Präsidenten dominierte die Spiele in Russland. Probleme? Die gab es nicht in Sotschi. Putin wird es schon wissen.

Manchmal kann Putin so etwas wie lächeln. Zumindest in Sotschi. Bild: reuters

SOTSCHI taz | 12 Milliarden Dollar. Es wird Schnee liegen. Es wird keinen Stau geben. Ganz Russland steht hinter den Spielen. Mit diesen Sätzen hat Wladimir Putin in Guatemala City die Spiele nach Sotschi geholt. Das Internationale Olympische Komitee fand ganz toll, was er gesagt hat. Es gab ihm die Spiele.

Kurz bevor sie schließen, wird im Medienzentrum von Adler die ganze Rede noch einmal an die Videowand geworfen. Der Führer des Landes spricht noch einmal zur internationalen Presse. Überlebensgroß. Die Botschaft. Seht her! Putin hat alle seine Versprechen gehalten. Geht so Personenkult?

Hiermit erkläre ich die 22. Olympischen Winterspiele für eröffnet. Der Tag nach der Eröffnungsfeier gehört allein dem Präsidenten. Die Nachrichten im ersten Programm zeigen Putin mit Janukowitsch, mit Erdogan, mit Japans Premier Abe. Weißrusslands Präsident Lukaschenko bringt wie immer seinen Buben mit. Händeschütteln, ernste Minen und einmal sogar so etwas wie Lächeln. Putin, der Weltpolitiker.

Themawechsel in den Nachrichten. Putin verleiht verdienten Wissenschaftlern Orden. Dann noch ein paar Bilder vom Schneechaos in Moskau und von Überschwemmungen in Großbritannien. Putin und Wetter. Gibt es da nicht mehr zu sagen?

Ski heil!

Große Siege, große Enttäuschungen. Russen feuern Russen an. Keine Pfiffe für die Gegner. Oft wird großer Sport geboten. Zwei Frauen rasen fast zwei Minuten bergab und fahren auf die Hundertstelsekunde genau die gleiche Zeit. Geteilter Sieg, doppelte Freude. Als die Dominique Gisin und Tina Maze vom Treppchen zur Tribüne winken, ist die schon fast wieder leer. Was soll man auch hier oben.

Keine Hütte, kein Lokal, nur die Bergstation einer schnellen Kabinenbahn. Nichts außer Pisten und Lifte. Ski heil! Sonst nichts. Warum hier? Schon 2001 oder 2002 bin ich mit meinem Jeep zu dieser Stelle, zu diesem Fluss gefahren und habe gesagt: Lasst uns hier beginnen. Putin sagt in einer TV-Dokumentation, dass er es war, der den Ort für die alpinen Wettbewerbe ausgesucht hat. Wer glaubt ihm das?

Putin lehrt dich, die Heimat zu lieben. Pussy Riot mischt die Olympiastadt auf. Drei mal werden sie festgenommen. Ein Mann in Kosakenuniform schlägt mit einer Peitsche nach den Aktivistinnen. Das Musikvideo, das die Punkband in Sotschi aufnimmt, zeigt Bilder davon. War was? Hat ja nichts mit Olympia zu tun, meint das IOC. Deren Sprecher sitzt neben Dmitri Kosak, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten, auf dem Podium. Unten sitzen die Olympiajournalisten.

Sie sind gekommen, um zu provozieren, und Einheimische haben sich provozieren lassen, sagt Kosak. Waren die Kosaken aus Krasnodar nicht als Verstärkung der Securityarmee nach Sotschi geholt worden? Und die Korruption, die Pussy Riot in ihrem Song anprangern? Wenn es die gegeben hätte, dann wäre das verfolgt worden, das hat auch der Präsident klargemacht, sagt Kosak. Wenn Putin das gesagt hat.

Links abbiegen geht nicht

Der Taxifahrer kennt sich nicht mehr aus. Früher musste man einfach nur geradeaus fahren. Er wählt die falsche Spur. Das sind Putins neue Straßen, sagt er. Brücken, Viadukte, Unterführungen. Aus zweispurigen Alleen sind Autobahnen geworden. Jetzt weiß der Taxler wieder, wo er ist. Wir müssten links abbiegen. Geht nicht. Nach drei Kilometern erst kann man wenden.

Was hat Putin denn da gebaut, fragt sich der Chauffeur. Der Präsident wird es schon wissen. Und die Zerstörung der Natur? Der Kaukasus ist groß. Und außerdem haben wir doch Abchasien. Da ist es schön. Die Strände, die Berge, die Mandarinen. Hat Putin uns zurückgeholt, sagt einer.

Im Pressezentrum sitzt ein georgischer Journalist. Auf seiner Jacke steht ganz groß Georgien und Suchumi. Das ist Abchasiens Hauptstadt. Für den Kollegen gehört die Minirepublik, die kaum ein Land anerkennen will, immer noch zu Georgien wie ehedem. Der Mann wird belächelt. Seinen Protest steckt Olympia weg. Kein Gegner für Putin.

Umdrehen!

Fünf schwarz gekleidete Wachleute. Finstere Gestalten. Am Eingang zum Hotel werden vor allem die Mitarbeiter, Lieferanten und Putzfrauen drangsaliert. Was wollen sie hier? Olympiatouristen aus dem Westen müssen sich nicht ausweisen. Auf der Straße vor dem Hotel patroullieren zwei uniformierte Polizisten.

Was sind das für Typen am Strand? Alle 20 Meter stehen zwei Männer zusammen und tun so als würden sie sich unterhalten. Aus dem Knopf, den sie im Ohr haben, führt ein Kabel unter ihre Lederjacke. Umdrehen! Wer Zug fahren will, wird durch eine Sicherheitsschleuse geschickt wie auf den Flughäfen und muss sich abtasten lassen.

Auf den Bergen ist Militär postiert. Dmitri Kosak ist stolz darauf. Hier kann niemand gegen ein Gesetz verstoßen, sagt er. Das ist es, was Olympia macht, sagt Pussy Riot. Wer interessiert sich schon für diese Mädchen, fragt Kosak. Bei Olympia ist er Putins Chefhandlanger. Ein freundlicher Mann, ein Mann des neuen Russland. Einer von Putin. Hat keiner Angst vor dem?

Er ist sehr vielseitig interessiert, selbstverständlich besonders am Sport aber auch in der Kultur und anderen Bereichen. Er spricht exzellentes Deutsch. Thomas Bach ist ganz begeistert von Putin. Der Bildzeitung sagt der IOC-Präsident, dass er ganz schnell einen Termin bekommt, wenn er mit Russlands Staatschef reden will. Sie passen gut zusammen. Bach war begeistert von den Spielen. Die Sportler sollen im Mittelpunkt stehen, sagt er immer wieder. Sieht er nicht, dass da ein anderer steht?

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