Anschlag auf Jüdisches Museum in Brüssel: Eine „widerwärtige Tat“

Das Motiv des Täters in Brüssel ist unklar. Während Politiker einen antisemitischen Hintergrund vermuten, ermittelt die Polizei in alle Richtungen.

Trauernde vor dem Jüdischen Museum in Brüssel: Bisher steht nur der Tatablauf fest Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Das Attentat geschah am helllichten Tage, mitten im beliebten Brüsseler Ausgehviertel an der Place Sablon. Touristen bummelten zwischen schicken Antiquitätengeschäften, sündhaft teuren Pralinenläden und überfüllten Cafés. Viele waren zum Brussels Jazz Marathon gekommen, das auf dem Platz stattfand. Die Atmosphäre war sonnig und friedlich – bis plötzlich, gegen 16 Uhr, Schüsse fallen.

Im Jüdischen Museum in der Rue des Minimes bricht Panik aus. Kurz darauf sind drei Menschen – darunter zwei Touristen aus Tel Aviv – tot. Ein vierter schwebte am Sonntag noch in akuter Lebensgefahr. Philippe Blondin, der Leiter des Museums, fand auch 24 Stunden nach der „widerwärtigen Tat“ noch keine Erklärung. „Wir haben weder Informationen über den Täter noch eine Erklärung für sein Motiv“, so Blondin.

Bisher stehe nur der Tatablauf fest: Der Mann habe gleich nach seiner Ankunft im Museum auf das Touristenpaar im Eingang gezielt. Danach sei er zur Rezeption geeilt und habe auf das Personal geschossen. Die Opfer, darunter auch eine Französin und ein Belgier, hatten offenbar keine Chance. Der Täter konnte unerkannt entkommen, die Polizei tappte am Sonntag noch im Dunkeln. Am Samstag hatte sie zwar einen Verdächtigen festgenommen. Doch bei seiner Vernehmung stellte sich heraus, dass es sich wohl um einen Zeugen handelte.

Seitdem herrscht Ratlosigkeit. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass man von einem Einzeltäter ausgehe, der gut vorbereitet war. Man habe noch keine Beweise dafür, dass es sich um eine antisemitische Tat handele, und ermittle in alle Richtungen. Die Politik ist da weniger vorsichtig. „Alles spricht dafür, dass es sich um ein antisemitisches Attentat handelt“, sagte die belgische Innenministerin Joëlle Milquet. Aber es sei Sache der Ermittler, dies festzustellen. Milquet kündigte verstärkten Polizeischutz für jüdische Einrichtungen im ganzen Land an.

„Solch eine Gewalt sind wir nicht gewohnt.“

Die politische Klasse Belgiens veurteilte den Anschlag. „Die belgische Regierung ist tief schockiert über dieses Drama. Wir verurteilen diese Gewalttat“, sagte Premierinister Elio Di Rupo. „Belgien ist ein friedvolles Land“, meint die Sozialistiin Simone Susskind. Sie ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde. „Solch eine Gewalt sind wir nicht gewohnt.“

Auch das vierte Opfer der Bluttat im Jüdischen Museum von Brüssel ist tot. Der junge Belgier starb am Sonntag in einem Brüsseler Krankenhaus, wie der Präsident der Belgischen Liga gegen Antisemitismus, Joël Rubinfeld, in Brüssel sagte. Der Mann war bei dem Angriff eines bislang unbekannten Täters auf das Jüdische Museum am Samstagnachmittag angeschossen und lebensgefährlich verletzt worden. (afp)

Offenbar hatte es keine Vorwarnung gegeben. Weder das Museum noch Anti-Terror-Experten der Regierung waren auf einen Anschlag auf jüdische Einrichtungen vorbereitet. Allerdings ist die jüdische Gemeinde nicht überrascht. „Was passiert ist, war vorhersehbar“, sagt Joël Rubinfeld, Vorsitzender der belgischen Liga gegen Antisemitismus. In letzter Zeit habe sich antisemitische Hetze ausgebreitet.

Demgegenüber warnte der Rechtsextremismus-Experte Jean-Yves Camus vor voreiligen Schlüssen: Die Attentate von Toulouse, bei denen 2012 sieben Menschen – darunter drei jüdische Kinder – ermordet wurden, mahnten zu Vorsicht. Der Täter war Soldat und offenbar geistig verwirrt. Sein Motiv ist bis heute unklar.

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