„Straubinger Tagblatt“ übernimmt „AZ“: Die Abendzeitung wird geviertelt
Das „Straubinger Tagblatt“ übernimmt die „Abendzeitung“. Nur 25 der 100 Redakteure sollen bleiben. Der Inhalt wird zum Großteil von der Schwesterzeitung geliefert.
MÜNCHEN dpa | Das Aus für die insolvente Münchner Abendzeitung ist abgewendet. Die Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung will das Blatt als Tageszeitung zusammen mit einem umfassenden Online-Angebot weiterführen, wie der Insolvenzverwalter Axel Bierbach und die künftigen Herausgeber Martin Balle und Dietrich von Boetticher am Dienstag in München mitteilten.
Höchstens 25 der 100 Mitarbeiter sollen ein Angebot bekommen, für die AZ weiterzuarbeiten, der Rest findet einige Monate Platz in einer Auffanggesellschaft. Künftig soll es noch eine Lokalredaktion, ein Feuilleton und möglicherweise auch eine Sportredaktion in München geben – der Rest soll von der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung geliefert werden.
Etwa ein Jahr lang wollen Balle und von Boetticher dem „Experiment“ Zeit geben, schon im Januar solle die Bilanz ausgeglichen sein, sagte der Straubinger Verleger Balle. „Ich will nicht fünf Jahre Baustelle“, betonte er. Die AZ, die künftig in Straubing gedruckt wird, soll im kleineren und handlicheren „Berliner Format“ erscheinen und in deutlich kleinerer Auflage. „Ich kann damit leben, nur 30.000 zu verkaufen“, sagte Balle.
In der Vergangenheit sei die Auflage künstlich hochgerechnet worden, um Anzeigenpreise in die Höhe zu treiben. Die AZ-Redaktion wird außerdem umziehen müssen, weil die Büroräume gegenüber vom Bayerischen Rundfunk aufgegeben werden; auch der Posten des Chefredakteurs wird neu besetzt.
„Ich glaube an die gedruckte Zeitung und bin davon überzeugt, dass die AZ eine gute Zukunft als starke Münchner Stadtzeitung hat“, betonte Balle. „Die organisatorische Einbindung in unsere Gruppe eröffnet die Chance, das Blatt endlich profitabel zu führen. Dabei wird die AZ ihren Charakter als kritische und selbstbewusste Stimme für München behalten.“ Eine „liebevolle“ Zeitung soll die Abendzeitung sein, „kein seichter Boulevard“.
Die niederbayerische Verlagsgruppe wird die AZ nun vom 1. Juli an gemeinsam mit dem Münchner Rechtsanwalt und Unternehmer von Boetticher herausgeben, der sich an der Zeitung auch als Gesellschafter beteiligt, wenn auch zu einem deutlich kleineren Teil als die Straubinger Mediengruppe. Balle und Boetticher haben dazu eine neue Gesellschaft gegründet. Der Gläubigerausschuss des Verlags Die Abendzeitung GmbH & Co. KG stimmte dem Übernahmevorschlag zu.
Am 30. Juni startet eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft für die Mitarbeiter, am 28. Juni kommt die letzte Abendzeitung der bisherigen Belegschaft auf den Markt, die beiden Ausgaben am 30. Juni und am 1. Juli würden dann irgendwie überbrückt werden müssen – vielleicht sogar mit „Freelancern“, die schon immer mal die AZ machen wollten, wie Balle sagte.
Die Abendzeitung hatte am 5. März beim Amtsgericht München Insolvenzantrag gestellt. Die finanziellen Schwierigkeiten der Boulevardzeitung mit einer verkauften Auflage von rund 100.000 Exemplaren waren seit längerem bekannt. Die Familie Friedmann als Eigentümerin sehe sich nicht mehr in der Lage, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, hatte der Verlag mitgeteilt. Nach Angaben der Geschäftsführung summierten sich die Verluste seit 2001 auf rund 70 Millionen Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!