NSU-Prozess in München: Die Brieffreunde und die Terrorzelle

Der Mitangeklagte Holger G. und der führende NPD-Kader Thorsten Heise sollen über eine Flucht der Terroristen ins Ausland gesprochen haben.

Holger G. bei seiner Festnahme im Jahr 2011. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Indizien verdichten sich, dass es um die drei Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ ein regelrechtes Unterstützernetzwerk gegeben hat. Im Zentrum stehen zwei Neonazis aus Niedersachsen, die Möglichkeiten ausgelotet haben sollen, wie Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe im Ausland untertauchen könnten: der im NSU-Verfahren wegen der Beschaffung falscher Papiere mit angeklagte Holger G. und der NPD-Kader Thorsten Heise, damals Anführer der Kameradschafts-Szene im Kreis Northeim. Beide hatten bislang bestritten, sich näher zu kennen. Aus Akten des Bundestags-Untersuchungsausschusses wird nun klar, dass die beiden in engem Briefkontakt gestanden haben.

Holger G. hatte bisher in Vernehmungen angegeben, er sei 1999 in Absprache mit dem weiteren Mitangeklagten im NSU-Verfahren Ralf W. zur Hochzeit von Heise gegangen und habe den Bräutigam dort angesprochen, ob er helfen könnte „die Drei“ „außer Landes zu bringen“. „Es gab zwei, drei Treffen“, sagte G. am 1. Dezember 2011 aus. Eine Telefonnummer aus Südafrika habe er von Heise erhalten.

Heise dagegen behauptete in seiner Vernehmung durch das Bundeskriminalamt am 28. Februar 2012, er kenne G. kaum. Daran, dass er einen Kontakt nach Südafrika vermittelt haben sollte, konnte er sich nicht erinnern. Vielemehr habe er erst aus den Medien erfahren, dass man ihm vorwarf, Kontakt mit G. gehabt zu haben. „Meine Frau (...) und ich, haben uns nach der Medienberichterstattung die Bilder im Netz und in Zeitungen angesehen und uns hat das Gesicht nichts gesagt“, sagte er. G. sei wohl seinerzeit von Kameraden einfach zur Hochzeit mitgebracht worden.

Etwas anderes legen die handschriftlichen Post-Listen der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel nahe, wo Heise zwischen 2000 und 2001 einsaß. Sie finden sich in den Akten des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags. Aus den Akten, die der taz vorliegen, geht hervor, dass G. und Heise einander von Juli 2000 bis Juni 2001 häufig schrieben. Auf G.s ersten Brief vom 1. Juni 2000 kam schon am 4. Juli ein Antwortschreiben. Auch im Juni 2001 reagierte Heise im kurzen Intervall. Ein Dutzend Schreiben gingen durch die Briefkontrollen. In der Zeit führte der heutige NPD-Funktionär Heise auch mit Rechtsextremen in Südafrika einen regen Briefverkehr.

Kontakte nach Südafrika

„Der Kontakt zwischen Heise und G. fand statt, kurz bevor G. dem Trio im Sommer 2001 mit Ausweispapieren aushalf“, sagt der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Angehörige der Opfer des Kölner Bombenanschlages in der Keupstraße vertritt. „Dieses Zeitfenster und auch die Kontakte nach Südafrika machen den Schriftverkehr mehr als interessant“, sagt der Nebenklage-Vertreter.

Doch die Akten die im April 2013 von der Staatskanzlei in Hannover an den Untersuchungsausschuss des Bundestages gingen, liegen dem Gericht in München nicht vor. „Wir werden diese Akten und Briefe einfordern, wenn sie noch vorliegen.“ Erneut deute diese Spur auf ein Netzwerk um Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe hin.

Die Berliner Nebenklage-Vertreterin Antonia von der Behrens ist empört: „Hier wurden den Prozessbeteiligten für das Verfahren relevante Akten vorenthalten. Wir fragen uns, wie viele Akten mit Bezug zum Angeklagten es noch gibt, von denen wir nichts wissen.“

Die neuen Akten belegten nicht nur den Kontakt sondern auch, dass die beiden in ihrer Vernehmung taktiert haben, hebt ihr Kieler Kollege Hoffmann hervor. Heise ist noch nicht einmal als Zeuge durch das Oberlandesgericht München benannt. „Ein Zeugenvernehmung werden wir beantragen“, erklärt Hoffmann.

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