Gründungstreffen der „Neuen Deutschen“: Auch hier trifft sich das Volk

Junge Migranten definieren sich nicht mehr über ihre Herkunft, sondern verstehen sich als Deutsche. Nun trafen sie sich zum ersten Bundeskongress.

Teilnehmer beim Bundeskongress „Neuer Deutscher Organisationen“. Bild: Bundeskongress Neuer Deutscher Organisationen

BERLIN taz | Sie nennen sich „DeutschPlus“, „Jung, Muslimisch, Aktiv“ oder „Neue Deutsche Medienmacher“. Und sie spiegeln einen neuen Trend. Die meisten ihrer Mitglieder stammen aus der zweiten und dritten Einwanderergeneration, sind also Nachkommen von Einwanderern. Doch mit ihren Namen stellen sie klar, dass Deutschsein heute mehr bedeutet als nur, deutsche Vorfahren zu besitzen.

Rund 150 Aktive aus 80 Initiativen trafen sich am Wochenende zum ersten Bundeskongress der „Neuen Deutschen Organisationen“ in Berlin. In diversen Workshops und auf Podien ging es um die Frage, was sie verbindet und welche Ziele und Forderungen sie gemeinsam haben. Prominent unterstützt wurden sie von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), der Stiftung Mercator und der Bundeszentrale für politische Bildung. Auch die Überlegung, einen gemeinsamen Dachverband zu gründen, wurde diskutiert. Es herrschte Aufbruchsstimmung.

Eine dieser neuen Organisationen ist der Verein „Deutscher Soldat“ mit Sitz in Hamburg. Mancher würde wohl etwas anderes erwarten, wenn er auf dessen Webseite landete, scherzte Dominik Wullers. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins, den Offiziere der Bundeswehr mit oder ohne Migrationshintergrund 2010 gegründet haben – als Reaktion auf den „Sarrazin-Schock“, wie Wullers zugab.

„Wir bluten für dieses Land. Wenn wir nicht unsere Heimat hier haben dürfen, wer dann?“, fragte er und kritisierte die „wohlsaturierten Herren der Pegida-Bewegung, die in Dresden auf die Straße gehen und behaupten, der Islam gehöre nicht zu Deutschland“. Von den Soldaten, die in Afghanistan für Deutschland ihr Leben riskierten, besäßen schätzungsweise zwölf Prozent einen Migrationshintergrund – darunter seien viele Muslime, betonte Wullers.

Reaktion auf Sarrazin

Auch die Gründung der „Jungen Islamkonferenz“ fällt in die Zeit, als der Ex-Senator Thilo Sarrazin mit seinen stigmatisierenden Thesen für Wirbel sorgte. „Selbst im Freundeskreis war in dieser Zeit ein offener antimuslimischer Rassismus spürbar“, erinnert sich die Politologin Esra Kücük. Sie entwickelte die Idee zu diesem bundesweiten Projekt, um junge Menschen, egal welcher Herkunft und ob religiös oder nicht-religiös, zusammenzubringen. Ihrem Aufruf folgten weit mehr Jugendliche als erwartet. Die bundesweite Organisation begleitet seitdem die offizielle „Islamkonferenz“ der Bundesregierung und richtet sich mit ihren Empfehlungen an Politik und Öffentlichkeit.

Älteste Initiative, und damit quasi Pionier unter den „neuen Deutschen“, ist die „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD), die bereits vor zwanzig Jahren gegründet wurde. Aber auch die anderen Organisationen, die in den letzten Jahren entstanden sind, heben sich zwar ihren Namen nach bewusst von herkömmlichen Einwandererverbänden wie der Türkischen Gemeinde ab, die sich meist noch über die Herkunftländer ihrer Mitglieder definieren.

Doch sie knüpfen an die jahrzehntelange Arbeit von Migrantenselbstorganisationen, Ausländer- und Integrationsbeiräten ihrer Eltern und Großeltern an. Sie setzen sich für mehr Chancengleichheit und Vielfalt, und gegen Ausgrenzung und Rassismus ein. Und alle eint der Wunsch, mehr mitreden zu können, wenn die Mehrheitsgesellschaft über Themen wie Integration und Islam debattiert.

So wie jetzt mal wieder, dank Pegida. „Wir planen diese Veranstaltung schon seit mehr als einem Jahr“, sagt Ferda Ataman von den „Neuen Deutschen Medienmachern“, die die Idee zu dem Bundeskongress entwickelt hatte. „Dass wir mit dem Zeitpunkt so den Nerv der Zeit treffen würden hätten wir nicht gedacht“, gesteht sie.

Am Montag findet in Berlin eine Pressekonferenz statt, auf der die wichtigsten Ergebnisse und Forderungen des Bundestreffens vorgestellt werden. Das Motto lautet: „Auch wir sind das Volk“.

Auch eine Forsetzung des Treffens soll es geben. Manfred Schmidt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lud dazu fürs nächste Jahr zu sich nach Nürnberg ein.

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