piwik no script img

Archiv-Artikel

Erinnerungen an gemeinsame Zeiten mit „Lacky“

TRAUERFEIER Am Grab des „Traumzauberbaum“-Komponisten Reinhard Lakomy in Blankenburg

Die lange weiße Mähne war neben der Stimme sein wichtigstes Markenzeichen

Gibt es was Peinlicheres, als sich bei einer Beerdigung im Friedhof zu irren? War ja klar, dass so was ausgerechnet mir passieren muss.

Gestern wurde Reinhard Lakomy beerdigt. Ich hatte mich extra in Schale geworfen und so früh aufs Rad geschwungen, dass ich schon um 12.45 Uhr am Friedhof in Blankenburg war. Am falschen Friedhof. Blankenburg hat anscheinend so viele Friedhöfe, wie Neukölln Kneipen hat. Zum Glück irrten außer mir noch vier andere fehlgeleitete Trauergäste über die Wege, ein Pärchen hatte ein Auto, der Friedhofsgärtner erklärte uns den Weg.

Auf dem richtigen Friedhof hallt Lakomys Stimme aus Lautsprechern über die Gräber, ein Tenor, so voll und kratzig, wie meine Kinderschallplatten zu Hause klingen. Die Feierhalle ist restlos überfüllt. Musikerkollegen, Gregor Gysi. Frierende Gäste scharren zwischen den verschneiten Gräbern im Kies. Manchmal lachen sie leise.

Als wir ankommen, spricht gerade Ebenezer Scrooge. Der aus der Dickens-Weihnachtsgeschichte. Die Verfilmung mit den Muppets. Wie heißt der Schauspieler? Michael Caine. Und eben dessen deutsche Synchronstimme, Jürgen Thormann, erzählt, wie Lakomy vor 23 Jahren bei ihm vor der Tür stand und ihn als Sprecher für die neue „Traumzauberbaum“-Produktion haben wollte. Den „Traumzauberbaum“ habe ich auf einer Ferienfahrt als Teenager wiederentdeckt. Irgendwer hatte die Kassette mitgenommen, und die lief dann im Wechsel mit „Blood Sugar Sex Magik“ von den Red Hot Chili Peppers. Immer abwechselnd grölten wir das Lied vom „Klopsemops“ und „Suck My Kiss“. Und abends war Flaschendrehen.

Monika Erhardt, die kongeniale Texterin des „Traumzauberbaums“, erzählt vom letzten Tag im Leben ihres Mannes, dem 23. März, an dem er frühmorgens 67-jährig dem Lungenkrebs erlegen ist. Die Diagnose war erst wenige Wochen zuvor gekommen. Eine Chemotherapie lehnte der gebürtige Magdeburger ab, sie hätte eh nur das Leiden verlängert. „Nee, da jehn mir ja die Haare aus“, soll Lakomy voll Galgenhumor zu seiner Frau gesagt haben. Und die lange weiße Mähne war schließlich neben der Stimme sein wichtigstes Markenzeichen.

So wie Monika Erhardt den Tod ihres Mannes schildert, scheint er trotz großer Schmerzen friedlich gewesen zu sein. „Der Tod war Erlösung, uns war erhaben zumute.“ Im Laufe des Tages seien enge Freunde und Verwandte zur Totenwache gekommen. Man habe alte Filme geschaut, gegessen, Bier und Schnaps getrunken und sich an die gemeinsame Zeit mit „Lacky“ erinnert. Zum Schluss habe man dem Künstler die wichtigsten Dinge mit auf die letzte Reise gegeben: eine Flasche Bier, Zigaretten, ein Taschenmesser, Autoschlüssel, Feuerzeug.

Zum Schluss entschuldigt sich die Schriftstellerin im Namen ihres Mannes bei den Trauergästen im Schnee. „Er wollte nicht im Winter beerdigt werden“, sagt sie, „ ‚Mensch, denk doch mal an die Leute!‘, hat er Tage vor seinem Tod in den verschneiten Garten hinausgerufen.“

Das „Traumzauberbaum“-Lied „Ich bin doch kein Schneemann“ schallt über die letzte Ruhestätte die Sängers, Komponisten und Pianisten, „Ich freu mich, wenn’s Frühling wird, fängt alles zu blühn an, wird die Welt bald so herrlich weit, so herrlich weit.“ LEA STREISAND