piwik no script img

Archiv-Artikel

In Chile kehrt die Rechte an die Macht zurück

PRÄSIDENTENWAHL Der Kandidat der Rechten, Sebastián Piñera, geht aus der Stichwahl als Sieger hervor. Er versprach eine Million neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Das unterlegene Bündnis unter Führung des Christdemokraten Eduardo Frei steht vor Generationswechsel

„Wir verlassen die Regierung mit erhobenem Haupt“, so Expräsident Lagos

AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT

In Chile hat der rechtsgerichtete Multimillionär Sebastián Piñera die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. Piñera erhielt 51,61 Prozent der Stimmen. Dagegen kam der Kandidaten des Regierungsbündnisses, der Christdemokrat Eduardo Frei, auf 48,38 Prozent der Stimmen. Mit dem Sieg Piñeras stellt die Rechte erstmals seit 1958 nach einer demokratischen Wahl den Präsidenten. Gleichzeitig verlor das seit dem Ende der Diktatur von Augusto Pinochet regierende Mitte-links-Bündnis Concertación nach 20 Jahren zum ersten Mal die Präsidentschaft.

Das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen war ausgeblieben. Piñera gewann mit einem absoluten Vorsprung von rund 240.000 der 6,9 Millionen gültigen Stimmen und stand bereits 30 Minuten nach Schließung der Wahllokale und der ersten Hochrechnung als Gewinner fest. Piñera tritt am 11. März die Nachfolge Michelle Bachelets an, die nicht mehr kandidieren durfte.

„Der Trend der Auszählung ist unumkehrbar“, kommentierte die Regierung die ersten Ergebnisse. Frei räumte denn auch schon sehr bald seine Niederlage ein. „Sebastián Piñera ist der gewählte Präsident“, so Frei. Die Wahl habe die Festigkeit und den Erfolg der chilenischen Demokratie gezeigt.

Überraschend war Piñera bei seinem ersten öffentlichen Auftritt mit seinem unterlegenen Kontrahenten vor die Mikrofone getreten. Vor den laufenden Kameras umarmten sich die beiden demonstrativ. Frei gratulierte Piñera abermals und der bedankte sich artig: „Ich bin mir sicher, dass die Opposition eine kooperative und konstruktive Rolle spielen wird.“

Später am Abend ließ sich der 60-Jährige dann von Tausenden auf der Plaza Italia im Zentrum der Hauptstadt Santiago feiern. „Wir werden eine Regierung der nationalen Einheit bilden, um die Mauern einzureißen, die uns spalten“, rief Piñera seinen Anhängern zu und bewertete seinen Wahlerfolg als einen Beleg für die „Reife der Demokratie“in Chile.

„Wir haben keine Minute zu verlieren. 600.000 Chilenen sind ohne Arbeit. Millionen leben in Furcht vor der Kriminalität und dem Drogenhandel. Millionen von Kindern und Jugendlichen bekommen keinen angemessene Schulbildung. Eine Million Chilenen stehen auf den Wartelisten der Gesundheitsversorgung“, legte Piñero nach. Im Wahlkampf hatte er die Schaffung einer Million neuer Arbeitsplätze versprochen.

„Wir werden eine Regierung der nationalen Einheit bilden“, so Wahlsieger Piñera

„Die Niederlage wäre vermeidbar gewesen“, kommentierte dagegen Marco Enríquez Ominami. Der unabhängige Kandidat und Drittplatzierte im ersten Wahlgang machte in erster Linie die Parteivorsitzenden der Concertación verantwortlich. „Hier hat sich die Blindheit von denen durchgesetzt, die nicht hinhören wollten“, so Enríquez Ominami. „Es ist höchste Zeit, dass sie ihre Verantwortung übernehmen,“ forderte er indirekt ihren Rücktritt.

Piñera hatte in der zweiten Runde nichts wirklich Neues hinzuzusetzen. Die großen Themen wie die Gesundheits-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik waren bereits vor dem ersten Wahlgang ausdiskutiert. Nur keinen Fehler machen, war die Devise des führenden und lächelnden Kandidaten der Rechten.

In der Concertación werden bereits die Wunden geleckt. „Wir verlassen die Regierung mit erhobenem Haupt und haben gehört, was uns die Wähler gesagt haben,“ so der Sozialist und ehemalige Präsident Ricardo Lagos. „Eine historische Etappe ist zu Ende, und eine andere Generation von jungen Chilenen werden den Stab übernehmen“, forderte er das abgewählte Regierungsbündniss zur Erneuerung auf. Schon wenig später besetzten Mitglieder der Jugendorganisationen der Concertación die Parteizentrale der Christdemokraten und verlangten den Rücktritt der Parteivorsitzenden.

Meinung + Diskussion SEITE 12