: Kann er nicht oder will er nicht?
Die Sache mit Gott: Zunächst eine Bestandsaufnahme und dann eine Gardinenpredigt
Packt Gott es noch? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen in der voll elektrifizierten Hochgeschwindigkeitsgesellschaft unserer Erde. Kann Gott seine Krise meistern? Kann Gott auf dem hart umkämpften Marktplatz der Ideen und Konzepte seine einstmals beherrschende Position ausgerechnet im Zeitalter offener Grenzen und fallender Handelsbarrieren zurückerobern? Daran sind durchaus Zweifel hienieden gestattet. Für einen Allgewaltigen bietet Gott seit geraumer Zeit ein schwaches Bild. Das Markenzeichen „Made by Gott“ hat längst seinen guten Klang in der Welt verloren. Die jüngsten Berichte der OECD sprechen es deutlich aus: Gott ist im internationalen Wettbewerb zurückgefallen. Ökonomisch und politisch droht Gott zu einer Mittelmacht abzusinken.
Für die große, praktisch denkende Mehrheit ist Gott schon seit Jahrzehnten nicht mehr der totale Brüller, der absolute Feger auf Erden. Verglichen mit Fußball, Alkopops und Kochsendungen im Fernsehen rangiert Gott weit hinten in den Umfragen. Bitter für einen, der einmal unangefochten der Boss der Bosse war, bei dem sich die Normalsterblichen noch glücklich fühlten, wenn sie das Schwarze aus seiner Nase verspeisen durften oder als Straßenkot unter seinen Sandalen haften blieben. Die Ursachen für Gottes Abstieg liegen auf der Hand. Gott nimmt sich schon seit Jahrhunderten Urlaub, macht jeden Feiertag blau und will nicht einmal sonntags arbeiten. Innovationen? Fehlanzeige. Wunder? Pustekuchen! Seine Erfolge haben Gott bequem gemacht. Gott liegt auf der Bärenhaut. Gott hat keine Visionen mehr! Es sei hier einmal in unmissverständlicher, aber auch heilsamer Schärfe gefragt: Kann Gott nicht oder will Gott nicht? Hat Gott noch immer nicht begriffen, dass er in einem knochenharten Verdrängungswettbewerb mit anderen Anbietern steht, in dem nur der Bessere überlebt? Wenn er denn überlebt? Falls Gott meint, sich auf seinen Lorbeeren ausruhen zu dürfen, so hat er sich verrechnet. In Zeiten leerer Kassen kann es sich niemand leisten, Gott durchzufüttern.
Wenn Gott jetzt nicht abkacken will, ist er ultimativ gefordert. Es kann nicht angehen, dass er sich behaglich in seinem kleinen privaten Paradies einrichtet und sich das noch hier im Diesseits bezahlen lässt. Gott muss den Hintern hochkriegen! Mit seinen fünfzehn Milliarden Jahren und mehr ist Gott keineswegs zu alt, um sich in den Arbeitsprozess hier unten einzugliedern. Eigenbrötelei ist in einer global vernetzten Welt inakzeptabel! Im Gegenteil, wir hier im Universum brauchen Allmächtige und Allwissende, damit es vorangeht. Auch Alleskönner haben einen Platz in unserer Gesellschaft. Wunder können ein wichtiger Produktionsfaktor und nicht zu unterschätzender Standortvorteil sein!
Gewiss ist nicht alles Gott, was glänzt. Wir kennen Gottes Schwächen, seinen schwierigen Charakter. Wir wissen, dass Gott Verantwortung scheut und seit Jahrtausenden niemandem Rechenschaft abgelegt hat für sein Tun auf unserem Planeten. Aber wir wollen einmal das Positive sehen. Gott ist, da haben wir allervollstes Vertrauen, noch immer leistungsfähig, ist in seinem fortgeschrittenen Alter bemerkenswert gesund und stark, hat was in der Birne. Gott kann was. Gott hat was drauf! Und vergessen wir nicht: Gott hat auch was gelernt. Er kann erschaffen, zürnen, aus Dornenbüschen reden. Selbstverständlich wird heute nicht alles gebraucht: Erstgeburten töten, Menschen zu Salzsäulen umfunktionieren, überhaupt den dicken Maxe raushängen lassen und über die Köpfe anderer hinweg entscheiden, das ist in unserer teamorientierten, aber auch computergesteuerten Zeit von nachgeordneter Bedeutung. Gott darf sich hier nicht zu fein sein, dazuzulernen und gegebenenfalls umzusatteln. Wir sind ihm dabei gern behilflich. Lebenslanges Lernen, das sei Gott wie jedem Arbeitnehmer ins Stammbuch geschrieben, ist auch und gerade für ihn eine Notwendigkeit. Auch Gott muss heutzutage flexibel sein!
Eine kostenlose Extrawurst kann Gott in diesem Leben nicht gebraten werden. Sondern auch Gott, das dürfte dem Herrn nun wohl klar geworden sein, muss sich anpassen und guten Willen zeigen, ob er will oder nicht. Die Zeiten, in denen Gottes Wort schwerer wog denn ein Scheffel Steine, jene finsteren Epochen, in denen die Leute um nackten Gotteslohn bereit waren, sich im Feuerofen backen zu lassen, sind in unseren milden Klimazonen definitiv vorbei. Heute muss Gott sich rechnen, genau wie andere Sachen auch. Das ist vielleicht unbequem, aber notwendig und richtig, und deshalb finden wir das auch notwendig und richtig. Nur so kann Gott zukunftsfähig werden!
Oder auch nicht.
PETER KÖHLER