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Archiv-Artikel

„Nicht Emil oder Otto“

ETHIK Ein Theologe verteidigt von Hagens

Die offizielle Kirche, sie reagierte auf die bremischen „Körperwelten“ mit den erwartbaren Reflexen. Bischöfin Margot Käßmann nannte es einen „Kulturverlust, Tote zum Schauobjekt für Entertainment zu machen“. Und Renke Brahms, der theologische Repräsentant der Bremischen Evanglischen Kirche (BEK), sprach schon vorab vom „Missbrauch der menschlichen Körper“.

Theologe Klaus Dirschauer hat die „Körperwelten“ schon zweimal gesehen, zuerst 1995 in Berlin, und dann nochmal in Hamburg, als der heute 73-Jährige schon nicht mehr der BEK-Verantwortliche für Aus- und Weiterbildung war. Und Dirschauer begrüßt die „Körperwelten“-Schau. „Das hat nichts von Geisterbahn und Gruselkabinett, sondern ist Information in einem aufgeklärten Rahmen“, sagt er, in Anspielung auf Brahms, der gerade den „Gruseleffekt“ kritisiert hatte.

Dirschauer will solche Einwände nicht akzeptieren: „Hier wird die Ästhetik des Körpers ausgestellt, die ich sonst nie zu sehen bekomme.“ Für ihn sei das eine Bereicherung, sagte er. „Das ist eine Konfrontation mit mir als Leib. Das ist heute beispielsweise im Zusammenhang mit dem Thema Organtransplantation immer noch mit einem Tabu besetzt.“

Auch inszenierte Plastinate wie jene der Pokerrunde aus den Film „Casino Royale“ stören den evangelischen Theologen nicht. „Da sind Realitäten und Bewegungsabläufe zu sehen, das zeigt die Eleganz des Körpers. Ich staune auch.“ Im übrigen hätten für ihn die ausgestellten Leichen durch das Plastinations-Verfahren nichts mehr mit den Individuen zu Lebzeiten zu tun. „Das sind Entfremdete, nicht Emil oder Otto.“

Dirschauer, der nicht nur Theologie, sondern auch Germanistik, Psychologie und Philosophie studiert hat und auch mal Pfarrer im Bremer Westen war, hat zuletzt unter dem Titel „Herzliches Beileid“ einen „kleinen Knigge für Trauerfälle“ veröffentlicht. Seit den Siebziger Jahren schon schrieb er immer wieder über Sterben, Tod und Trauer. Den Körperwelten-Gegnern hält er vor: „Hier regen sich Kritiker auf; im Krimi genießen sie es, wenn der Pathologe zum Ermittler wird.“ (taz/epd)