: Keine Lust auf Einheitsbrei
Der Trend zum Selberkochen: „Spargel, Waldmeister & Co.“, „Topf sucht Deckel“ oder „Vegetarisch lecker“ heißen die Kurse, die immer mehr Kochschulen und Restaurants in Hamburg anbieten
von Julia Sorge
Uwe Bößmann weiß, was er will: „Die Zwiebeln müssen gehackt werden. Der Kürbis wird in grobe Stücke geschnitten und die Melone entkernt.“ Der Kursleiter in der Kochschule Hamburg verteilt die Aufgaben ohne Rücksicht. Auch der junge Mann, der sich verschämt in der hinteren Reihe versteckt, wird eingeteilt: zum Kartoffeln schälen – die sind violett. Vier Männer und vier Frauen zwischen 25 und 65 Jahren binden sich Schürzen um, und Bößmann zeigt erst mal, wie man richtig schneidet: das Messer nach oben schieben, die Fingerkuppen schön zurückziehen. Langsam breitet sich Geschäftigkeit aus, beim Schnippeln der Zuckerschoten wird gescherzt.
Die Preise liegen bei 50 bis 80 Euro pro Abend
„Spargel, Waldmeister & Co.“, „Topf sucht Deckel“ oder „Vegetarisch lecker“ heißen die Kurse, die immer mehr Kochschulen und Restaurants in Hamburg veranstalten. Das Angebot ist vielfältig. Während beispielsweise „Topf sucht Deckel“ Singles beim Zubereiten raffinierter Speisen einander näher bringen will, fließt bei „Teenies kochen cool“ auch Ernährungsberatung mit ein, und die „Rezepte aus 1001 Nacht“ geben unter anderem Auskunft über die richtige Verwendung von Kardamom und Rosenwasser. Die Preise variieren zwischen 50 und 80 Euro pro Abend, Kinderkochkurse sind günstiger. Je nach Restaurant und Menü kann der Abend teurer werden. In der Regel dauert ein Lehrgang drei bis vier Stunden, und manchmal wird es natürlich auch spät – weil es gerade so nett ist und die Runde gern noch zusammensitzt.
Die Nachfrage ist groß, zum Teil Monate im Voraus sind die Veranstaltungen ausgebucht. Tim Mälzer, Jamie Oliver oder Ralf Zacherl lassen grüßen, die Fernsehköche kennt fast jeder. Haben sie den Wunsch zum Selberkochen befördert? „Wir sind schon mittendrin im Trend“, meint Patrick Gebhardt, Koch und Mitinhaber des Restaurants „Fillet of Soul“ in den Deichtorhallen, „die Fernsehköche sind da nur eingestiegen.“ Die Menschen würden wieder mehr Geld für Qualität ausgeben, Kochen und Essen gälten inzwischen als soziales Event. Sein Partner Florian Pabst erkennt darin sogar einen neuen „Lifestyle“ bei jungen Leuten.
Gutes Essen als Ausgleich zum Berufsalltag
In der Hamburger Kochschule wird der erste Gang zubereitet: Kürbis-Melonen-Suppe mit Parmaschinken. Der Duft von angeschmorter Zwiebel und zerlassener Butter durchzieht den Raum. Während der Kürbis köchelt, erklärt Kochschuleninhaber Thomas Krause, wie ein Induktionsherd funktioniert: ein Magnetfeld in Kochfeld und Topfboden erhitzt das Gemüse, die Herdplatte bleibt dabei fast kalt. Lebensmittel lassen sich deutlich schneller erhitzen, Überkochendes brennt nicht so leicht an. Mit einem Glas Wein in der Hand beobachten die Teilnehmer neugierig, wie der Kürbis zerfällt.
„Die Lust am Kochen ist wieder da“, erklärt Krause die große Nachfrage nach seinen Kursen, „die Leute sind es leid, nur noch den Einheitsbrei zu essen.“ Einen neuen Trend sieht Jochen Kempf, Küchenchef im Restaurant „Prinz Frederik“, dagegen nicht, die Nachfrage nach seinen Kursen sei bei ihm seit Jahren kontinuierlich hoch. Die Teilnehmer, meist über 40 Jahre alt, kommen über das Restaurant zu ihm. Das Kochen und Konsumieren vom selbst zubereiteten guten Essen sei dann oft ein entspannender Ausgleich zum Berufsalltag, erklärt Kempf. Schließlich würden mit zunehmendem Alter „einfache Bedürfnisse“ immer wichtiger, und dazu gehöre auch das Essen.
Natürlich mit hochwertigen Zutaten. „Der Spaß am Kochen fängt beim Einkaufen an“, wirbt Koch und Gastronom Florian Pabst für mehr Lust an Qualität, und fordert: „Die Menschen müssen aufhören, an den Lebensmitteln zu sparen.“ Statt Erdbeeren im Winter empfiehlt er: „Saisonal einkaufen, dann sind die Produkte auch günstiger.“ Zumal der Einkauf beim Gemüsehändler oder auf dem Markt in der Regel den Vorteil habe, dass man Obst und Gemüse kosten kann.
Für Küchenchef Kempf tragen auch die Fernsehköche zu einer positiven Entwicklung bei: „Ich freu mich über jemanden wie Mälzer, der die jungen Leute anspricht“, lobt er. „Das kann nur gut sein.“ Durch die Sendungen inspiriert würden Jugendliche erst Nudeln kochen und sich dann auch mal an Schwierigeres wagen. Ihre steigenden Ansprüche, so hofft er, würden sie schließlich an Gemüsehändler und Fleischer weitergeben.
In der Hamburger Kochschule ist es spät geworden. Das Schweinefilet im Speckmantel mit Vanille-Schalotten und Zuckerschoten ist längst verzehrt, auch vom Blaubeereis mit gebackener Banane ist nichts übrig geblieben. Bis nach Mitternacht sitzen die Hobbyköche noch plaudernd zusammen. Sie habe viele kleine Tipps erhalten, die sie zu Hause jetzt umsetzen will, erzählt Erika Wickel, die den Kurs von ihren Kindern zum Geburtstag geschenkt bekam. Doch „eigentlich“, resümiert sie, „ging es nicht darum, kochen zu lernen, sondern um den Spaß dabei.“
Kochschule Hamburg, Beim Alten Gaswerk 1, ☎ 33 31 08 60, www.kochschule-hamburg.deFillet of Soul, Deichtorstraße 2, ☎70 70 58 00, www.fillet-of-soul.dePrinz Frederik im Hotel Abtei, Abteistraße 14, ☎ 44 29 05, www.abtei-hotel.de