Besondere Kompetenz

LOBBYISMUS Eine als wirtschaftsfreundlich geltende Hamburger Kanzlei schrieb das umstrittene schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz. Nun befragt die SPD die beteiligten Ministerien

Eine Adresse im Hamburger Zentrum, ein knappes Dutzend Anwälte auf der Lohnliste, maritime Motive auf der Homepage – so wirbt die Kanzlei „Wirtschaftsrat Recht Bremer & Heller“ für sich. Obendrein rühmt sich das Rechtsanwaltsbüro einer besonderen Kompetenz: Im Jahr 2010 schrieben Bremer und Heller im Auftrag der Fraktionen von CDU und FDP im Kieler Landtag einen Entwurf für das Glücksspielgesetz, mit dem Schleswig-Holstein einen bundesweiten Sonderweg beschritt. Das Gesetz regelte erstmals Online-Glücksspiele, seitdem war es für Betreiber möglich, Lizenzen zu erhalten und offensiv für ihre Angebote zu werben.

Die heutige Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW hält die Einbeziehung der als wirtschaftsfreundlich geltenden Kanzlei – bei der heute ehemalige CDU-Landeschef Christian von Boetticher arbeitet – für einen Skandal. Mit einer parlamentarischen Anfrage an die beteiligten Ministerien will die SPD aufklären, wie es dazu kam und wie groß der Einfluss der Anwälte auf das Gesetz war.

Unter anderem wollen SPD-Fraktionschef Ralf Stegner und Fraktionskollege Kai Dolgner wissen, ob die Ministerien eigene Entwürfe für das Gesetz vorgelegt hatten und ob die Landesregierung an der Klärung europarechtlicher Fragen beteiligt war. Während der Glücksspielfachmann der CDU, Jörn Arp, vor der NDR-Kamera zögerlich von einem „normalen Vorgang“ sprach, schaltete die FDP gleich wieder in den Angriffsmodus: Seine Partei gehe davon aus, dass Fraktionen und nicht nur die Regierung Gesetze vorlegen könnten, und „anwaltlicher Sachverstand“ gegen „gesetzgeberischen Murks“ helfe, so der Jurist Wolfgang Kubicki.

„CDU und FDP müssen schon aus eigenem Interesse Aufklärung betreiben“, mahnte Lars Harms (SSW). Würden die Zweifel nicht ausgeräumt, „hieße das nichts anderes, als dass Lobbyisten unter Schwarz-Gelb regiert haben“.

Inzwischen ist der schleswig-holsteinische Sonderweg Geschichte: Anfang des Jahres ist Schleswig-Holstein dem Glücksspielvertrag der anderen 15 Bundesländer beigetreten.  EST