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Archiv-Artikel

Fluten, Tote und schlechte Scherze

TSCHECHIEN Notstand fast im gesamten Land – aber Staatspräsident Zeman macht Witze

Während Milos Zeman seine ambivalenten Wünsche vortrug, wartete die Stadt auf das Öffnen der Talsperren

PRAG taz | Nicht einmal im Angesicht der Katastrophe konnte Tschechiens Präsident Milos Zeman von seinem Groll auf die Presse lassen: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht ertrinken“, sagte das Staatsoberhaupt in einer kurzen Ansprache am Montagabend und fügte mit einem boshaften Grinsen hinzu: „Im Falle von Journalisten ist dieser Wunsch allerdings ambivalent.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Hochwasser in Tschechien schon sieben Todesopfer gefordert. Etwa 8.000 Menschen waren evakuiert worden, Hunderttausende harrten in Unsicherheit ihrem Schicksal. In fast allen Teilen des Landes wurde der Notstand ausgerufen. In Prag waren die moldaunahen Metrostationen sowie insgesamt 60 Straßen gesperrt. In den meisten Schulen fiel der Unterricht aus. Auch ein Krankenhaus musste evakuiert werden.

Besonders am südlichen Stadtrand, wo der Fluss Berounka in die Moldau mündet, mussten viele Menschen ihre Wohnungen und Häuser verlassen. Der untere Teil des Prager Zoos war überschwemmt. Im Gegensatz zum Jahrhunderthochwasser 2002, bei dem über 100 Tiere den Fluten zum Opfer fielen, konnten dieses Mal jedoch alle Tiere gerettet werden.

Während Zeman auf der Prager Burg hoch über der Moldau seine ambivalenten Wünsche vortrug, wartete die Stadt unter ihm mit Bangen auf das Öffnen der Moldau-Talsperren. Die drei Stauseen südlich von Prag hatten ihr maximales Volumen schon am Montagnachmittag erreicht. Ihr Ablassen sorgte dafür, dass die ohnehin gewaltige Strömung der Moldau am Montagabend in Prag auf 3.300 Kubikmeter pro Sekunde anschwoll.

Inzwischen kann die Hauptstadt aber wieder aufatmen: Die gefürchtete Scheitelwelle hat Prag ohne allzu verheerende Folgen überstanden. Nun fließen die Wassermassen weiter in Richtung deutscher Grenze. Auf ihrem Weg trafen sie im tschechischen Melnik, etwa 60 Kilometer nördlich von Prag, am Dienstagabend auf die Elbe und trieben deren Strömung auf 4.000 Kubikmeter pro Sekunde. Große Teile Nordböhmens stehen seit Tagen unter Wasser. In den nordböhmischen Städten Usti nad Labem und Decin sind ganze Stadtteile von der Außenwelt abgeschnitten. Die tschechische Regierung sagte umgerechnet 12 Millionen Euro Soforthilfe zu. Und Präsident Zeman hat versprochen, seine Burggarde in den Krisengebieten einzusetzen. Ob die dann auch Journalisten helfen darf, ist nicht bekannt. ALEXANDRA MOSTYN