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„Techno überlasse ich Jüngeren“

Jean-Jacques Perrey ist einer der Pioniere der elektronischen Musik. Seit Ende der Fünfzigerjahre versucht er den Klang der Avantgarde mit seinem Sinn für Humor zu verbinden. Ein Gespräch über Science Fiction, Walt Disney und den Weg zum Erfolg

INTERVIEW ANDREAS HARTMANN

taz: Monsieur Perrey, Sie sind der große Star auf dem diesjährigen Club Transmediale-Festival in Berlin. Ist es richtig, dass Sie in Frankreich dagegen kaum jemand kennt?

Jean-Jacques Perrey: Ja, ich werde total von meinen Landsleuten ignoriert. Aber es macht mir eigentlich nichts mehr aus.

Dabei waren es Franzosen, nämlich Jean-Benoît Dunckel und Nicolas Godin von Air, die Sie einem breiteren jungen Publikum als ein Pionier der elektronischen Musik bekannt gemacht haben.

Die beiden Jungs von Air sind sehr nett und wirklich fantastische Musiker. Eines Tages kontaktierte mich ihr Manager, um mir mitzuteilen, dass sie eine Nummer mit mir zusammen aufnehmen wollten. Das taten wir, und sie nahmen das Stück „Cosmic Bird“ auf eine ihrer Platten. Es war sehr erfolgreich in England, den USA und Japan, aber weniger in Frankreich. Mit Air ist es ähnlich wie mit mir, sie sind nicht unbekannt, aber auch keine wirklichen Stars in Frankreich.

Der Weltraum spielt immer wieder eine große Rolle in Ihrer Musik und Sie gelten als Vertreter einer so genannten Space Age Music. Wollen Sie durch die Beschreibung einer unendlichen Welt auf die Begrenztheit des Menschen hinweisen?

Natürlich. Die Erde ist klein, und es gibt viele andere Planeten. 1969 habe ich bereits einen Tribut an die Männer geschrieben, die erstmals auf dem Mond spazieren gingen, der Song heißt „E.V.A.“.

Schon Ihre Platte „The In Sound From Way Out!“ aus dem Jahre 1967 hatte den Untertitel „Electronic Pop Music Of The Future“. Waren Sie zu der Zeit schon ein Science-Fiction-Fan?

Ja. In Amerika habe ich den großen Science-Fiction-Autor Ray Bradbury kennen gelernt. Ich begleitete die Theaterinszenierung seines Buchs „Dandelion Wine“ in New York mit meiner Ondioline, der ich meine wundervolle Karriere überhaupt verdanke. Ich war 30 Jahre alt und begann damit, über eine Musik der Zukunft nachzudenken, und Ray Bradbury bestärkte mich darin, etwas Spezielles zu kreieren, etwas Weltraumartiges. Es war nicht einfach, kommerzielle Musik zu machen, die den Anspruch hatte, zukunftsweisend zu sein. Aber ich versuchte es, und glücklicherweise gelang es mir auch.

In der Science Fiction geht es oft darum, eine bessere Welt als die zu entwerfen, in der wir gerade leben. Sie selbst betonen, mit Ihrer Musik einen Beitrag dazu leisten zu wollen, dass glücklichere Menschen in einer glücklicheren Welt leben.

Es läuft nicht gerade in diese Richtung zurzeit. Aber eines Tages, da bin ich mir sicher, werden die Menschen schlauer sein als heute und nicht mehr gegeneinander kämpfen.

Was lässt Sie so positiv denken?

Weil es einfach so laufen muss. Ich bin ein Spezialist in humorvoller Musik, ich will die Menschen glücklich machen und sie zum Lachen bringen. Gerade auch deswegen, weil wir gerade eine ziemlich harte Zeit durchleben. Viele Menschen haben keine Arbeit, arme Menschen leiden, etwa in Afrika oder Indien, und ich will meinen Beitrag dazu leisten, ein Lächeln in die Gesichter von Kindern zu zaubern. Die Kinder sollen meine Musik hören, sie werden irgendwann älter und anfangen, meine Musik auch richtig zu verstehen.

Das sagte mir auch Walt Disney. Er meinte, mit meiner Musik werde ich erst mal keinen Erfolg haben, aber wenn ich versuchen würde, weiter zukunftsweisende Musik zu machen, würde ich irgendwann Erfolg haben. Derselben Ansicht war übrigens auch Jean Cocteau, ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen.

Ja.

Er war ein fantastischer Mann. Er sagte mir: Bewahre deinen ungewöhnlichen Stil. Walt Disney sagte zu mir: Bewahre deinen ungewöhnlichen Stil. Und Edith Piaf befand ebenfalls, ich müsse mir selbst treu bleiben, weil ich so immerhin nach meinem Tod anerkannt werden würde.

Nun ist Ihnen das bereits vorher gelungen.

Ja, glücklicherweise. Ich bin jetzt Mitte siebzig, und ich bin erstaunt, dass ich immer noch so viel Erfolg habe. Wenn Sie Humor haben, werden Sie auch nach Ihrem Tode nicht sterben, das war der Rat, den mir Jean Cocteau, Walt Disney und Edith Piaf geben wollten: Sei froh und mach froh stimmende futuristische Musik, und du wirst anerkannt werden. All die Kids heute sind glücklich mit meiner Musik, und sie tanzen zu ihr, das macht mich selbst glücklich, ziemlich glücklich. Ich bringe die Kids zum Tanzen, obwohl ich keine wirklich moderne Musik im heutigen Sinne mache, keinen Techno, das überlasse ich den jungen Menschen. In meinem Alter könnte ich das auch gar nicht. Ich packe höchstens ein paar Späße in meine Musik. Unglücklicherweise geht es mit Techno sowieso nicht mehr so richtig voran, die Musik scheint sich in einem Kreis zu befinden, aus dem sie nicht herauskann.

Ist die Clubkultur unserer Tage, wo die Menschen temporär an bestimmten Orten glücklich sind und tanzen, die Erfüllung Ihrer Träume?

Die Menschen brauchen das Tanzen einfach. Die Welt wird immer trauriger, die Menschen dagegen explodieren, so sagen wir in Frankreich, beim Tanzen, zu einer ziemlich speziellen Musik. Doch selbst in den Clubs sieht man selten lachende Gesichter. Im Herzen sind die Menschen vielleicht glücklich, aber man kann es ihnen nicht auf den Gesichtern ablesen. Lachen sie dagegen, sieht man erst, dass sie überhaupt existieren.

Sie suchen nach dem Lachen als Ausdruck der Wärme des Menschen. Sie selbst, so sagen Sie immer wieder, haben Angst davor, dass bei rein elektronischer Musik der Mensch dahinter und dessen Wärme nicht mehr zu erkennen ist.

Deshalb benutze ich zwar viele elektronische Instrumente, habe aber bei Aufnahmen im Studio immer auch echte Musiker dabei, die Gitarre, Orgel und Bass spielen. Das wärmt die elektronische Musik auf. Ich halte im Übrigen auch die CD für kalt, im Gegensatz zur viel wärmer klingenden Vinyl-Schallplatte. Ich spiele auch deswegen mit echten, lebenden Musikern, um zu kompensieren, dass die Aufnahmen auf CD später so kalt klingen.

Wie haben Sie Alfred Hitchcock kennen gelernt?

Als ich nach Amerika gegangen bin, kam ich eines Nachts in ein Restaurant, und dort saß Hitchcock vor einer Flasche französischen Weins. Ich hatte zufälligerweise eine Hitchcock-Biografie in meiner Tasche und bat den Kellner, sie Hitchcock zum Unterschreiben vorzulegen. Hitchcock holte mich daraufhin an seinen Tisch, und wir begannen ein Gespräch. Sich mit ihm zu unterhalten war sehr interessant, denn es wahr nie klar, ob er nun etwas ernst oder nicht ernst meinte. Danach verstand ich auch, warum seine Filme immer lustig und weniger lustig gleichzeitig waren. Er wollte dann, dass ich für ein paar seiner Kurzfilme etwas auf der Ondioline als musikalische Untermalung einspielte. Leider kam es nicht mehr dazu, weil er vorher starb.

Dafür schuf ein anderer Pionier der elektronischen Musik, Oskar Sala, auf seinem Trautonium das unheimliche Vogelgekrächze, das in Hitchcocks „Die Vögel“ zu hören ist. Haben Sie Oskar Sala kennen gelernt?

Oh ja, ich habe ihn sehr bewundert. Oskar Sala war ein echter Pionier, ein wahrer Meister. Das Trautonium ist ein unglaublich kompliziertes Instrument, Sala wusste es wirklich zu bedienen.

Sie selbst haben Ihr Handwerk bei einem anderen Pionier der experimentellen Musik gelernt, bei Pierre Schaeffer, dem Begründer der musique concrète. Er soll nicht einverstanden mit dem Werdegang Ihrer Karriere gewesen sein.

Pierre Schaeffer zeigte mir, wie man Loops macht. Das war vor meiner Zeit in Amerika. Als ich ihm erzählte, dass ich in den USA Musik für Commercials machen würde, war er ganz entrüstet. „Was?“ sagte er zu mir, „elektronische Musik ist etwas sehr Ernstes. Wenn du humorvolle elektronische Musik machen willst, wirst du damit keinen Erfolg haben.“ Ich sagte ihm: „Wir werden sehen.“ Und, nun ja, ich hatte glücklicherweise Erfolg und Pierre Schaeffer Unrecht.

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