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Archiv-Artikel

Staat hat total versagt

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der „Katrina“-Bericht des US-Repräsentantenhauses ist offiziell noch gar nicht erschienen, schon melden sich die Verantwortlichen des Krisenmanagements mit Ankündigungen und Gegendarstellungen zu Wort. Bereits gestern versprach der im Report angezählte Heimatschutzminister Michael Chertoff, Vorschläge zur Reform der ihm unterstellten Katastrophenschutzbehörde FEMA vorzulegen. Und die Bush-Regierung ließ wissen, dass sie den Katastrophenschutz natürlich verbessern wolle. Damit reagierte sie auf die scharfe Kritik aus dem am Sonntag durchgesickerten Untersuchungsbericht zu New Orleans.

Darin hieß es: Die behördliche Reaktion auf den Hurrikan „Katrina“ sei von „Nutzlosigkeit, Versagen und organisatorischer Lähmung“ geprägt gewesen. Warnungen seien in den Wind geschlagen worden, schlechte Planung und Apathie hätten vom Weißen Haus bis hin zu den offiziellen Stellen vor Ort zu einer schleppenden Reaktion auf die Naturkatastrophe geführt, befand das elfköpfige Untersuchungskomitee des Repräsentantenhauses.

Chertoff kündigte an, 1.500 neue FEMA-MitarbeiterInnen einstellen zu wollen. Sie sollen künftig als eine Art schnelle Eingreiftruppe der Behörde fungieren und bei einer Katastrophe sofort vor Ort eingesetzt werden können. Dadurch solle vor allem die Weitergabe von Informationen hinsichtlich der Lage in Katastrophengebieten verbessert werden. Dies hatte die Untersuchungskommission als ein zentrales Problem identifiziert. „ ‚Katrina‘ hat ein nationales Versagen offen gelegt, eine Abkehr von der Verpflichtung, für das Gemeinwohl zu sorgen“, heißt es in dem ausschließlich von Republikanern verfassten Papier in ungewöhnlich scharfer Form. Ein Versagen auf allen Ebenen, vom Weißen Haus über die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Babineaux Blanco, bis hinunter zum Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin.

US-Präsident George Bush sei von seinen Heimatschutzbeauftragten im Weißen Haus schlecht und unvollständig über die Krise informiert worden. Hätte er früher vom vollen Ausmaß der Katastrophe erfahren, so hätten die Streitkräfte schneller zu Hilfsmaßnahmen eingesetzt werden können, schreibt die Kommission. Besonders kritisiert wird Heimatschutzminister Chertoff. Er habe seine Pflichten „entweder spät, ineffektiv oder gar nicht“ erfüllt. Er habe nicht auf die eindeutigen Warnungen des Nationalen Wetterdienstes reagiert, der, im Hinblick auf die prekäre Lage New Orleans, bereits Tage vor dem Eintreffen des Wirbelsturms Alarm geschlagen habe. Außerdem sei Chertoff nicht dem speziell für derartige Katastrophen erstellten Reaktionsplan gefolgt. Für die Koordination der Hilfsmaßnahmen hätte er zudem einen erfahrenen Krisenmanager einsetzen sollen, nicht den bereits zurückgetretenen FEMA-Chef Michael Brown, der für eine solche Aufgabe gar nicht ausgebildet sei. Die Opposition hatte bereits Chertoffs Rücktritt gefordert.

Die Evakuierungsanweisungen für New Orleans seien hingegen durch den Bürgermeister zu spät gegeben worden und auf untrainierte und unerfahrene Katastrophenhelfer der Bundesbehörden getroffen, kritisierte das Repräsentantenhaus. Diese Kette an Verfehlungen habe schließlich den Tod von 1.400 Menschen zur Folge gehabt. Angesichts der jahrealten Diskussionen um die unzulänglichen Deiche um New Orleans hätten die Behörden die Überschwemmungen voraussehen müssen, resümiert der Bericht. Der Sprecher des Weißen Hauses, Trent Duffy, wies darauf hin, dass Bush keineswegs „abwesend“, auf seiner Ranch in Texas seinen Urlaub verbracht habe, sondern vollständig und engagiert in die Krisenbewältigung eingebunden gewesen sei. Der Präsident habe „Katrina“ noch vor Eintreffen des Wirbelsturms zur Katastrophe erklärt und die Menschen persönlich aufgefordert, die Region zu verlassen. „Er war sich der Gefahr des Sturms und der Bedrohung völlig bewusst“, betonte Duffy.

Die Demokraten im Repräsentantenhauses hatten den Untersuchungsausschuss boykottiert, nachdem sie sich mit ihrer Forderung nach einer unabhängigen Kommission nicht hatten durchsetzen können. Zwar lobten sie den Bericht, kritisierten aber, dass er nicht alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zöge. Ferner legten sie eigene Reformvorschläge vor. So sollte der FEMA-Direktor künftig dem Präsidenten direkt Bericht erstatten.