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Archiv-Artikel

Die Musik geht an die Spree

Erst die Popkomm, dann Viva und nun auch noch die „Spex“. Das Popmagazin verlässt seine Geburtsstadt Köln

Dem Leser kann es letztlich egal sein, wo seine bevorzugte Musikzeitschrift hergestellt wird. Ob in Köln, Schwerte-Ergste oder in Berlin – alles egal. Hauptsache, das Heft ist gut gemacht und es steht alles drin. Doch darum geht es jetzt nicht. Es geht ums Prinzip. Um Tradition. Und um eine Stadt, der die Musikbranche davonläuft. Es geht um Köln.

Zwei Jahre ist es nun her, dass die Musikmesse Popkomm nach Berlin übersiedelte – und ihr prompt alle hinterherliefen. Zuletzt gar der Dudelkanal Viva, den es auch in die Hauptstadt zog, dem Sitz des neuen Mutterhauses MTV. Und während man schon dachte, nun wären mal endlich alle weg, kündigt sich der nächste Umzug an: Im Sommer zeigt die Musikzeitschrift Spex Köln die Kehrseite und zieht nach – nun ja, Sie wissen schon.

Einem Hype folge man damit nicht, sagt Spex-Chefredakteur Uwe Viehmann. Wenngleich er zugibt, dass man in der Hauptstadt besser Kontakte knüpfen kann. Um Platten anzupreisen, wählen viele Bands lieber Berlin statt Köln, eben weil dort die Branche sitzt. Deshalb wäre es auch für die Spex-Redaktion von Vorteil umzuziehen. „In Köln ist nichts mehr“, sagt Viehmann. In Berlin wäre man näher dran. Ob alle mitgehen, ist allerdings noch ungewiss. Gekündigt werden soll jedenfalls niemand.

Doch wenn es nicht der Hype ist, was dann? Ganz klar: Dann ist es das Geld. Die Münchner Piranha Media GmbH, zu der Spex gehört, will sich komplett vom Standort Köln lösen und auch das Magazin Basketball abziehen. Künftig wäre der Verlag dann neben dem Hauptsitz in Bayern, von wo aus man die Sparten HipHop und Reggae abdeckt, nur noch in Berlin ansässig. Das heißt: nicht ganz. Die Reggae-Zeitschrift Riddim verbleibt mit einem Büro am Rhein.

In Kreuzberg soll Spex mit dem Elektro-Magazin Groove zusammenziehen und mit der Firma Joint Forces, die für die Internetseiten des Verlags zuständig ist. Neben der Kostenersparnis verspricht sich Piranha-Chef Alexander Lacher von dem Umzug eine Verbesserung des Spex-Internetauftritts. Da könne man noch mehr leisten, sagt er. Synergien aus der Zusammenarbeit zwischen Spex und Groove werde man dagegen aber wohl nicht freisetzen können. Dafür sei die „inhaltliche Schnittmenge“ zu gering. Höchstens grafisch funktioniere das. Hier sollen die beiden Magazine ab Mitte des Jahres kooperieren.

Spex in Berlin. Oder besser: Spex nicht mehr in Köln. Das ist für viele Fans des Diskursmagazins nahezu unfassbar. Im Jahre 1981 gründete sich das Blatt in der Domstadt und übernahm wenige Jahre später etliche Autoren der damals beigesetzten Musikzeitschrift Sounds. So kam etwa Diedrich Diederichsen zu Spex. Und das Magazin avancierte zum Meinungsmacher, Stilbildner und Popintellektuellen-Fachblatt.

Bis Anfang 2000 die eigene Verlagsgesellschaft aufgegeben wurde. Mit der Übernahme durch Piranha brach eine neue Ära an, die nun den Umzug zur Folge hat. Zwar wird das Magazin – neuen Medien sei Dank – längst nicht mehr ausschließlich von Kölnern produziert. Trotzdem gehört es an den Rhein. Da fehlt es nur noch, dass auch der WDR in die Hauptstadt zieht.

Sicher, die wirtschaftlichen Ausmaße sind kleiner als bei der Popkomm oder bei Viva. Spex verkauft pro Ausgabe rund 19.000 Exemplare, beschäftigt sechs feste Redakteure. Die Unterstützung, die von der Stadt Köln komme, sei da allenfalls obligatorisch, sagt Viehmann, den die Stadt Berlin übrigens „ankotzt“. Sie sauge alle Kreativität des Landes auf, um dann 80 Prozent davon wieder in den Rinnstein zu spucken. Sagt er. Und klingt genervt.

Deshalb überlegt Viehmann auch, ob er im Sommer nach elf Jahren Schluss macht mit Spex. Und wer weiß: Als die Popkomm ging, zauberte man in Köln die Musikmesse c/o pop aus dem Hut. Vielleicht arbeitet man ja bereits an einer neuen Zeitschrift. Möglicher Chef: Uwe Viehmann. Möglicher Name: „555“ – so sollte Spex ursprünglich heißen.

BORIS R. ROSENKRANZ