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Archiv-Artikel

Begeisterter Empfang für eine Siegerin

Berlinale-Preisträgerin Jasmila Zbanić kehrt nach Sarajevo zurück. Für sie ist der Goldene Bär ein Gewinn für Bosnien

SARAJEVO taz ■ Sie sei glücklich, sagte Jasmila Zbanić bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Sarajevo. Etwas verlegen stand sie da. Hunderte Medienvertreter und Freunde waren gekommen, um die bosnische Preisträgerin des Filmfestivals von Berlin und ihre Crew zu begrüßen. Für den späten Nachmittag wurden im Zentrum der Stadt tausende von Menschen erwartet.

Schon auf dem Flughafen erklärte die 32-jährige Regisseurin, der Preis sei ein Gewinn für das ganze Land. Solche Sätze hört man oft bei solchen Gelegenheiten. In Bosnien und Herzegowina sind sie keine leeren Floskeln. Denn 10 Jahre nach Kriegsende machen die Erfolge bosnischer Filme die Menschen stolz. Ein bisschen „wir sind wieder wer“ weht durch das gebeutelte Land. Als Danis Tanović 2003 nach dem Preis für seinen Film „Niemandsland“ aus Hollywood zurückkehrte, wurde er gefeiert wie eine Fußballmannschaft, die Europameister geworden war. Tausende jubelten ihm zu. Die Kultur kämpft auf ihre Weise.

Sarajevo hat mit dem Filmfestival seinen schon vor dem Krieg erkämpften Platz als Ort der künstlerischen Inspiration in der Region behauptet. Der seit Jahren anhaltende Erfolg bosnischer Filme ist Ansporn für die bosnischen Filmemacher geworden. Jasmilas Film „Grbavica“ wird weiteren Auftrieb geben.

Die Filmakademie in Sarajevo zieht wieder Studenten aus Kroatien und Serbien an. Ihr Leiter, der Regisseur Benjamin Filipović, sieht ein großes Potenzial an Talenten. „In Zeiten des Umbruchs und gesellschaftlicher Erschütterungen entstehen in Film, Theater, Malerei, Musik und Literatur interessante Werke.“ In Europa habe die 68er-Revolte und in Deutschland der Vereinigungsprozess zu intellektuellen Herausforderungen geführt, die sich im Kulturleben niedergeschlagen hätten. „Der Krieg, die Nachkriegszeit, die Konflikte in Bosnien und dem gesamten Raum wecken bei uns die Kreativität der Menschen.“

Das will zwar niemand bestreiten. Der Preis in Berlin für Jasmila Zbanić und ihr Thema, die Spätfolgen der Massenvergewaltigungen, sei jedoch eine politische Entscheidung gewesen, nur in Deutschland habe der Film gewinnen können, sagen dagegen Nachbarn und Freunde wie Mehmed Alicehajić, eine stadtbekannte Kulturgröße. Denn hier in Sarajevo hat man ganz genau registriert, welche Gesellschaft Europas im Krieg wo stand. Die Massenvergewaltigungen während des Krieges lösten in Deutschland eine große Protestwelle der Frauen aus, die schließlich zu einer politischen Positionierung der Gesellschaft auf Seiten der Opfer führte.

„In Frankreich hat die offizielle Politik die serbischen Untaten heruntergespielt.“ Noch heute spiegele sich dieser Umstand im Filmfestival von Cannes wieder. Dort sei Emir Kusturica, Regisseur aus Sarajevo, der sich auf die Seite des serbischen Präsidenten Milošević geschlagen hatte, 2005 zum Chef der Jury gewählt worden. Und natürlich sei der bosnische Film durchgefallen. Jasmila Zbanić wehrt solche Gedanken ab. Sie strahlt und freut sich über ihren Erfolg. ERICH RATHFELDER