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Archiv-Artikel

Pflegestufe 3 und Spaß dabei: Demo für Selbstbestimmung statt Ausgrenzung

KREUZBERG Die erste Mad & Disability Pride Parade zeigt: Auch mit einer Katastrophenparty im Kopf kann man gute Laune auf der Straße haben

Spaß muss sein: „Spasmus sein!“ – mit diesem und anderen Transparenten, mit Säcken voll Glitzer und ernsten Anliegen haben am Samstag etwa 1.000 Menschen auf der bundesweit ersten Mad & Disability Pride Parade demonstriert. Ein exzentrischer Paradezug: Demonstrierende webten Federboas in Rollstuhlspeichen, schwenkten Krücken, schmierten Glitzer auf nackte Bierbäuche, verkleideten sich als Psychopharmakaschachtel. Vom Rednerwagen strahlte die Grinsekatze von „Alice im Wunderland“.

Menschen mit und ohne Diagnose zogen vom Neuköllner Hermannplatz zum Kottbusser Tor in Kreuzberg, um gegen Gesundheitswahn, Diskriminierung, Normierung und die bestehenden Schönheitsideale zu demonstrieren. Durch die Redebeiträge zog sich als roter Faden die Forderung nach Selbstbestimmung statt Ausgrenzung.

Nino Kern, 31, demonstrierte gegen die Pathologisierung der Transsexualität: „Ich habe keine Persönlichkeits- und Verhaltensstörung, ich bin Trans!“ Gabi Krüger hatte ein Schild an ihrer Rollstuhllehne befestigt: „Gib deinen Tipp ab – ist mein Leben glücklich?“ Sie nahm am Umzug teil, weil sie sich von der Gesellschaft mehr Neugier auf das andere wünscht.

Lilien Cartride begleitete die Parade auf 10-Zentimeter-Absätzen: „Ich kämpfe für die Anerkennung von Sexarbeiterinnen. Wir können im Rollstuhl sitzen, in dicken, alten oder Transkörpern leben – genau wie unsere Kunden. Jeder Mensch kann eine Sexualität haben – egal mit welchem Körper.“ Die kleinwüchsige Staatsanwältin Silke Schönfleisch-Backofen demonstrierte mit tiefem Dekolleté für die gesellschaftliche Anerkennung der Sexualität von Menschen mit Behinderung.

„Ich hab meine Mama lieb, auch mit Rollstuhl!“ Auf zahlreichen Schildern und Transparenten hielten die Demonstrierenden ihre Forderungen und Gedanken fest: „Pflegestufe 3 und Spaß dabei“, „Normalität abschaffen, aufessen, wegglitzern“. Einige Menschen hatten sich selbst mit ihrem persönlichen Diagnoseschlüssel beschriftet: „F41.1 Katastrophenparty im Kopf!“ MILENA MENZEMER

www.pride-parade.de