h5n1, traumlogik etc. : Was machen Katzen nachts?
Dass man auf Rügen eine von der Vogelgrippe getötete Katze gefunden hatte, die alte Frau R. zeigte sich davon richtig begeistert am Telefon. (Sie schneite gerade ein in ihrem hessischen Kaff.) Da ließen wir unsere Katze doch gewiss nicht mehr ins Freie – aber was ist mit dem Hund? Der muss doch regelmäßig raus, und er schnuppert mit Leidenschaft am letzten Dreck, womöglich nimmt er ihn ins Maul? Irgendeine tote Taube im Park … Und wenn er dann nach Hause und mit der Katze in Berührung kommt, dann hat sie das Virus doch noch abgekriegt. Wenn er nicht sogar vor ihr stirbt. „Und irgendwann bist du dran.“ (Ja, der Schneefall sei unglaublich. Und wieder, genau wie bei der Vogelgrippe, versagt die Regierung total.)
Seit je steht die alte Frau R. unter dem Einfluss der Traumlogik. Dass eine Krankheit namens Vogelgrippe sich von Vogel zu Vogel verbreitet, leuchtet sofort ein. Wenn sie aber vom Vogel auf die Katze überspringt, dann ist Polen offen, wie man so sagt. (Und so kann das Virus mühelos auf die Bedrohung durch das Wetter überspringen – was keine Überlegung im Wachzustand überlebt.) Was machen Katzen eigentlich nachts?, lautet eine berühmte Frage. Jetzt wissen wir es. Sie holen sich die Vogelgrippe; keiner weiß, wie. So kann die Katze die Krankheit – weiß die Traumlogik – umso leichter an den Hund und dann den Menschen weiterreichen. Und das begeistert die alte Frau R. in ihrem Katastrophen- und Kontrollfieber: Am besten, man sperrt alles ein! (Was der Schnee in ihrem hessischen Kaff schon fast vollbracht hat.)
Die alte Frau R. überhört wieder einmal, dass deine Katze ohnedies nie die Wohnung verlässt. Es geht ja um keine wirkliche, sondern um eine geträumte Katze. Käme es bei ihr an, sie müsste die Traumarbeit umleiten und restlos auf den Hund verwenden: Wie er die toten Tauben im Park anknabbert, wie er dir so gern Hände und Gesicht abschleckt, und wie das alles unwiderruflich darauf hinausläuft, dass …
Es ist unverkennbar ein Wohlbehagen, was die alte Frau R. beim Telefonieren antreibt, wenn sie sich so von der Traumlogik zu ihrem Katastrophengemälde inspirieren lässt. Träume, lehrte Sigm. Freud, dienen der imaginären Wunscherfüllung (und so überlassen wir die alte Frau R. einfach dem Schneefall).
MICHAEL RUTSCHKY