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Archiv-Artikel

Autobahnen zerstören Mallorca und Ibiza

Massendemonstrationen versuchen die Infrastrukturprojekte der konservativen Inselregierung zu stoppen

MADRID taz ■ Die Balearen-Regierung hat die Bauwut gepackt. Sie will „ohne Angst“ die Infrastruktur erweitern. Auf Mallorca soll eine neue Autobahn von der Hauptstadt Palma zur Nordspitze führen. Auf Ibiza soll eine Schnellstraße den Inselflughafen direkt mit der zweitgrößten Stadt Sant Antoni verbinden. Geplant sind auch 20 Golfplätze und ein Dutzend Yachthäfen sowie dazugehörige Hotel- und Apartmentkomplexe.

„Die Inseln werden in Asphalt und Beton ersticken“, befürchtet Miguel March vom Bündnis „Autopistas – No“, das seit Monaten Gegendemonstrationen organisiert. In Ibiza protestierten Anfang März 20.000 der 110.000 Inselbewohner gegen die Autobahn. In Mallorca waren es vor wenigen Wochen 50.000 von 950.000 Einwohnern. „Die Inseln haben noch nie so große Demonstrationen gesehen“, sagt March zufrieden.

Die Proteste zeigen erste Erfolge. Der Inselrat von Mallorca hat am Montag ein besonders umstrittenes Teilstück aus dem Bebauungsplan herausgenommen – die 29 Kilometer lange Strecke zwischen den Städten Inca und Manacor. Das restliche Autobahnnetz wird allerdings auf Mallorca und Ibiza weitergebaut. Vor allem auf Ibiza werden bisher unberührte Landschaften zerstört. Hier müssen über 500 Fincas enteignet und dutzende Häuser abgerissen werden.

Die konservative Inselregierung verspricht sich viel von den neuen Straßen für den Tourismus und die Bauwirtschaft. In beiden Sektoren sind auch Mitglieder der konservativen Volkspartei (PP) verstrickt. Bekanntestes Beispiel ist Abel Matutes, der unter José María Aznar Außenminister war und später den Posten eines EU-Kommissars innehatte. Seiner Familie gehört eine der größten Hotelketten Spaniens und sie ist an mehreren Baufirmen beteiligt. Wie der Zufall so will, ist Matutes Tochter Estela im Inselrat von Ibiza für Bau und Infrastruktur zuständig. Einer der väterlichen Betriebe verdient am Bau der Inselautobahn ordentlich mit.

Auch Umweltschützer streiten nicht ab, dass einige Inselstraßen verbessert werden müssen. Schließlich weisen die Balearen die weltweit höchste Verkehrsdichte auf – 940 Fahrzeuge pro 1.000 Einwohner. Daran ist unter anderem die riesige Mietwagenflotte für die Touristen schuld. „Doch wir können nicht einfach das Autobahnkonzept vom Kontinent auf kleine Inseln anwenden“, gibt March zu bedenken. „Das Problem ist nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu lösen.“ March würde die Autobahnmillionen lieber in Bahntrassen investiert sehen.

Die Autobahngegner werden auch von Prominenten unterstützt wie dem Filmemacher Roman Polanski, dem Otto-Versand Chef Michael Otto und den beiden Sängern Thomas Anders und Frank Zander. Sie sprachen sich in einer Zeitungsanzeige gegen den Autobahnbau aus. Auch Soft-Rocker Peter Maffay warnte in der Wochenzeitung Mallorca Magazin vor der „völlig entgleisten Vision einiger weniger“. Er drohte: „Wenn die aktuelle Entwicklung anhält, glaube ich nicht, dass ich große Lust habe, hier alt zu werden.“

REINER WANDLER