CHINAS AUSSENPOLITIK: KEINE KONFLIKTE SIND EIN SCHLECHTES ZEICHEN
: Brav abseits stehen reicht nicht

Ausgerechnet China, die dynamischste Volkswirtschaft der Erde, steht heute im Schatten des internationalen Geschehens. Die Bedeutung dieses welthistorischen Zufalls ist noch nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Doch man kann sich einige Folgen ausmalen: etwa ein China, das als Zuschauer eines die USA erschöpfenden Nah- und Mittelostkonflikts unbehelligt den Status einer wirtschaftlichen Supermacht erreicht und die westlichen Volkswirtschaften aufgrund von deren Konsumgewohnheiten von sich abhängig macht. Das ist das Wal-Mart-Szenario; die US-Supermarktkette kauft heute schon mehr Waren als Frankreich oder Italien in China ein.

Erstaunlich ist jedenfalls, wie schnell sich China wirtschaftlich integriert, ohne politisch – jenseits der ritualisierten Menschenrechtsdebatte – irgendwie aufzufallen. Die Jahrespressekonferenz von Premierminister Wen Jiabao legte davon Zeugnis ab: Deutlich wurden innerchinesische Konflikte, der neue Gegensatz zwischen Arm und Reich in China – aber außenpolitisch spielt die KP längst die Rolle eines Musterschülers des Westens. Ob Iran oder Nordkorea: China erscheint als Teil der Lösung, nicht des Problems. Zu einer Zeit, in der im Land die negativen Folgen eines Wachstums deutlich werden, das bisher als einzige Legitimationsquelle der KP galt, findet die Partei in einer nahezu konfliktfrei gemanagten Außenpolitik neuen Halt.

Davon profitieren sowohl China als auch der Westen. Aber es ist dabei viel Leichtfertigkeit im Spiel. China vertraut auf westliche Absatzmärkte ohne echte politische Allianzen. Der Westen lässt China in Ruhe, solange es sich kooperativ verhält. Gemeinsame Konfliktbewältigung und vorausschauendes globales Krisenmanagement finden nur in Ansätzen statt, etwa bei der Bekämpfung der Vogelgrippe. Doch was passiert, reicht nicht. Ob in ein, zwei oder drei Jahrzehnten – noch in der Zeit, in der die meisten von uns leben, wird China dem Westen auf Augenhöhe begegnen, wirtschaftlich, aber auch machtpolitisch. Nichts ist wichtiger, als die Welt heute schon darauf vorzubereiten. China muss viel stärker eingebunden werden, jetzt, da es noch brav abseits steht. GEORG BLUME