: Eine Chance für die Moderne
VON NINA APIN
So war es eigentlich nicht geplant. Am Ort des historischen Stadtschlosses soll das Humboldt-Forum gebaut werden, aber die Barockfassade, über die in der Vergangenheit so viel gestritten wurde, soll erst später dazukommen. Und nur wenn genügend Spendengelder fließen, soll das Bauwerk historische Sandsteinverzierungen erhalten. Wenn nicht, bleibt es, was es im Inneren ohnehin ist: ein moderner Funktionsbau.
Man kann die Aussicht auf ein jahrelanges Provisorium aus Beton oder Ziegel an diesem historischem Ort grässlich finden. Man kann die Entscheidung des Bauministeriums, notfalls ohne die Spendenfassade zu planen, aber auch gut finden. Erstens, weil hier nicht versucht wird, die durch die Unzuverlässigkeit privater Spendensammler verursachte Lücke dem Steuerzahler aufzubürden. Und zweitens, weil die Entscheidung für ein Provisorium ohne Preußenstuck eine zweite Chance für die Moderne auf dem Schlossplatz ist.
Kein Retro-Kleister
Die Bundestagsentscheidung für einen Abriss des Palasts der Republik und einen historisierenden Neubau war eine Absage an die Gegenwart. Dass nun der vergangenheitslastige Stella-Entwurf vorerst ohne Kuppel und Schinkelfassade auskommen muss, ist eine gute Nachricht. Eine Beton- oder Ziegelfassade steht dem Schlossplatz als Ort der geschichtlichen Brüche besser zu Gesicht als eine verkleisternde Retro-Lösung. Und man kann hoffen, dass sich bei der Zwischenlösung das typische Berlin-Phänomen einstellt: Man richtet sich im Provisorium ein – bis es irgendwann Dauerlösung wird. Für Schlossgegner eine erfreuliche Aussicht.