: Hilferuf für Nomaden in der Mongolei
WETTER Im harten Winter sind mehr als 4 Millionen Ziegen, Kamele und Schafe der Nomaden verendet
PEKING taz | Der Frühling will und will nicht kommen: Schneegestöber und Eiseskälte wechseln sich ab. Die Mongolei erlebt derzeit einen der schlimmsten Winter ihrer jüngeren Geschichte: Mehr als 4 Millionen Ziegen, Kamele und Schafe sind seit Dezember bei Minustemperaturen von bis zu 40 Grad erfroren, schätzt die Regierung in Ulan-Bator.
Das Internationale Rote Kreuz und der Rote Halbmond haben jetzt zu Spenden für über 3.000 Nomadenfamilien aufgerufen, die vielerorts nicht mehr wissen, woher sie genug Heu und anderes Futter nehmen sollen, um die nächsten Wochen zu überstehen. Erst im Mai dürfte auf den Weiden wieder frisches Gras sprießen. Die deutsche Regierung hat inzwischen 100.000 Euro gespendet.
Dzud nennen die Mongolen die Katastrophe, die solch strenge Winter nach allzu trockenen Sommern bedeuten, wenn die Futtervorräte von vornherein knapp sind. In diesem Jahr ist es schlimmer als beim letzten dzud vor neun, zehn Jahren, als hunderttausende Hirten sich in die Slums um die Hauptstadt Ulan-Bator flüchteten.
In der Mongolei, die wie eine gewaltige Insel zwischen China und Russland liegt und mehr als viermal so groß ist wie Deutschland, leben nur rund 2,7 Millionen Menschen. Die Hälfte sind Bauern und Hirten, besonders betroffen sind die Bewohner der abgelegenen Regionen.
Dass der dzud so schlimm zuschlägt, ist allerdings nicht allein der Natur zuzuschreiben. Mit rund 43 Millionen Tieren sind die Herden mittlerweile viel zu groß geworden, sagen Experten. Das empfindliche mongolische Grasland kann sie nicht mehr verkraften, die Wüsten breiten sich aus. Besonders schädlich für die Böden sind die Ziegen, weil sie die Halme nicht nur abkauen, sondern gleich mit der Wurzel aus der Erde rupfen.
Die weltweite Nachfrage nach der beliebten Kaschmirwolle hat dazu geführt, dass die Nomaden der Versuchung nachgeben, immer mehr Tiere zu halten.
In den Zeiten der Planwirtschaft bis zum Zerfall der Sowjetunion vor zwanzig Jahren war die Zahl der Herden klugerweise begrenzt worden. Doch dann machten sich zahlreiche Familien selbstständig und gingen wieder als Hirten aufs Land. Etwa ein Drittel der Arbeitsplätze in der Mongolei hängen heute von der Viehhaltung ab.
Trotz reicher Mineral- und Erzvorkommen der Mongolei herrscht in dem Land große Armut. Vielen Hirten, die ihre Tiere verloren haben, bleibt nichts anderes, als ihr Glück als illegale Schürfer in den Goldminen des Landes zu suchen. JUTTA LIETSCH