: In Hamburg wird nicht mehr geKuscht
Ein Skandal zu viel: Bürgermeister Ole von Beust fordert seinen Justizsenator Roger Kusch zum Rücktritt auf. Kusch aber will sich lieber rausschmeißen lassen und beschädigt beim Abgang kräftig seinen Regierungschef
von Marco Carini
Seine Entlassung ist keine Frage von Tagen – sie ist eine Frage von Stunden. Die dringende Empfehlung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) an seinen Justizsenator Roger Kusch (CDU), umgehend zurückzutreten, quittierte dieser gestern mit einem politischen Amoklauf. Er verweigerte nicht nur seinen „freiwilligen“ Abgang, sondern erhob schwere Vorwürfe gegen Ole von Beust.
Nach dieser beispiellosen Provokation kommt von Beust nicht mehr umhin, einen schnellen Schlussstrich zu ziehen. Der Bürgermeister wisse was er wolle, betonte gestern Senatssprecher Lutz Mohaupt. Seine Entscheidung wird er heute Vormittag verkünden. Und auch Kusch weiß, das seine „Stunden in der Justizbehörde gezählt sind“. Der in die so genannte „Protokoll-Affäre“ verwickelte Kusch sagte, in einem „zehn bis fünfzehnminütigen“ Telefonat am Samstagmittag habe der Bürgermeister ihm dargelegt, warum er nicht mehr im Amt zu halten sei, erklärte Kusch gestern auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz.
Er selbst habe sich in dem Telefonat „Bedenkzeit“ ausgebeten. Über eine „so schwer wiegende Maßnahme“ könne „er nicht innerhalb von Sekunden“ entscheiden, will Kusch nach eigenem Bekunden seinem Vorgesetzten mitgeteilt haben. Als sein Entschluss feststand, teilte der Justizsenator diesen gestern jedoch statt von Beust lieber den einbestellten Journalisten mit: „Ich werde nicht zurücktreten“.
Eine Kampfansage an den Bürgermeister. Und als wolle er seinen Rausschmiss endgültig provozieren, erhob der Justizsenator in der „Protokoll-Affäre“, die nun Auslöser seines zu erwartenden Abgangs ist, schwere Vorwürfe gegen den Bürgermeister. Dieser habe zusammen mit dem von ihm eingesetzten Affären-Sonderermittler, dem Baustaatsrat Axel Gedaschko (CDU), auf einer Pressekonferenz vorigen Montag „mit der vollständigen Aufklärung der Affäre hinter dem Berg gehalten“.
Von Beust hatte kein Wort darüber verloren, dass rechtswidrig in die Justizbehörde gelangte Ausschuss-Geheimprotokolle von dieser auch noch an zwei „Externe“ weitergeleitet worden waren. Diese juristisch umstrittene Akten-Weitergabe, wegen der die Opposition zuletzt Kuschs Rücktritt gefordert hatte, sei dem Bürgermeister aber bereits seit dem 10. März bekannt gewesen. Kusch hingegen hält diese Aktenweitergabe aus der Behörde für rechtmäßig. Deshalb habe es ihm „die Sprache verschlagen“, so Kusch, dass sich von Beust „voreilig“, der Analyse Gedaschkos angeschlossen und deshalb nach dem öffentllichen Bekanntwerden der Protokoll-Weitergabe Strafverfahren gegen vier Mitarbeiter der Justizbehörde einleiten lassen habe.
Persönlich tief getroffen von der Rücktritts-Aufforderung von Beusts, mit dem Kusch seit Jahren befreundet ist, sieht der Justizsenator keine eigene Schuld. Frei von jedem Unrechtsbewusstsein verkündet er, er habe „nach Fehlern in seinem Handeln“ gesucht, sei aber „nicht sehr fündig geworden“. Da er zudem mit seiner Behörde „eine außergewöhnlich erfolgreiche Justizpolitik gestaltet habe“, gebe es keinen Grund abzutreten.
Kusch sieht sich als Opfer einer gegen ihn gerichteten Medienkampagne, der der Bürgermeister nicht die Stirn biete. „Ich habe ihn gefragt, was sich seit Anfang der Woche für neue Fakten ergäben hätten, die meine Ablösung erfordern“, berichtete Kusch gestern aus seinem finalen Telefonat mit von Beust. Dieser soll geantwortet haben: „Die Fakten haben sich nicht geändert, nur die Stimmung“.
Bei der Frage nach der Nachfolge Kuschs wird derzeit nur ein Name genannt: Der des Justizstaatsrats Carsten Lüdemann. Aber noch ist nicht ausgemacht, dass Lüdemann zum Senator aufsteigt. Als möglich, wenn auch unwahrscheinlich, gilt das so genannte „Bremer Modell“, nach dem der Jurist Ole von Beust dass Justizressort selbst mitübernimmt und Lüdemann nur das „operative Geschäft“ überlässt. Von Beust müsste dann keine Mehrheiten für Lüdemann in der zerstrittenen CDU-Fraktion organisieren.
Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Neumann ist die „Rücktrittsposse um Kusch“ der „vorläufige Tiefpunkt einer langen Entwicklung“. Es sei Unverständlich, warum auf Kuschs Pressekonferenz „nicht unmittelbar seine Entlassung gefolgt“ sei. Die GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch sieht durch die Ausführungen von Kusch, der „politisch erledigt sei“, vor allem den „Bürgermeister ins Zwielicht des Protokoll-Skandals“ gerückt. Indem er „am vergangenen Montag die Öffentlichkeit nicht vollständig informiert“ habe, habe er die Bürger getäuscht.