: USA und Russland besiegeln Abrüstung
START-ABKOMMEN Die Präsidenten Barack Obama und Dmitri Medwedjew unterzeichnen Abrüstungsvertrag. Sie loben die gegenseitige Offenheit und warnen den Iran
AUS PRAG SASCHA MOSTYN
Der Kalte Krieg endete gestern um 12.37 Uhr in der tschechischen Hauptstadt Prag. Die Präsidenten der USA und Russland, Barack Obama und Dmitri Medwedjew, hatten zu diesem Zeitpunkt den neuen Start-Vertrag zur atomaren Abrüstung unterzeichnet und schüttelten sich nun breit lächelnd die Hände.
In dem Abrüstungsabkommen verpflichten sich beide Länder, das Arsenal ihrer atomaren Sprengköpfe auf höchstens 1.550 zu reduzieren. Schätzungen zufolge verfügten die USA im Januar 2009 über 5.200 Sprengköpfe, von denen 2.700 einsatzbereit waren. Russland soll 14.000 Sprengköpfe besitzen, wobei die Zahl der taktischen Waffen unklar ist. Die Zahl der russischen strategischen Sprengköpfe soll im Januar 2009 auf etwa 3.900 reduziert worden sein (siehe nebenstehenden Text).
Gleichzeitig einigten sich „Dmitri“ und der „Kollege“, wie sich Obama und Medwedew in der Pressekonferenz nach der Unterzeichnung nannten, auf eine intensivere Zusammenarbeit – nicht nur im Kampf gegen den Terrorismus, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich.
„Die USA und Russland können zusammenarbeiten“, erklärte Obama. Die Beziehung zu Medwedjew beruhe auf „Offenheit“ und „gegenseitigem Respekt“. Damit hätten die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Großmächten nun eine neue Stufe erreicht, sagte der US-Präsident nach einem fast zweistündigen Gespräch mit seinem Amtskollegen. Der stimmte zu: Der neue Start-Vertrag stelle eine Reihe von vernünftigen Kompromissen dar, sagte Medwedjew. Mit dem Neuanfang in den amerikanisch-russischen Beziehungen befinden sich nicht nur beide Länder, sondern die „weltweite Gemeinschaft“ in einer „Win-win-Situation“, sagte der russische Präsident.
Man werde sich nicht, sagten beide Präsidenten, um Abrüstung bemühen, nur damit sich andere Staaten in eine gegenseitige Richtung begeben. Diese klare Ansage ist vor allem an den Iran gerichtet: „Der Iran hört nicht auf unsere Vorschläge. Deshalb werden wir jetzt noch einmal beim UN-Sicherheitsrat verhandeln“, sagte Medwedjew. Sollten Sanktionen verhängt werden, müsste man sie klug anwenden.
Uneinigkeit zwischen beiden Ländern herrscht dabei in Bezug auf den US-Raketenschild. Das soll zwar nur der Verteidigung der USA gelten, wie Obama gestern erneut beteuerte, auf allzu großes Verständnis stößt er beim einstigen Erzfeind allerdings nicht. Die Russen behalten sich vertraglich das Privileg vor, das erst einmal zehn Jahre gültige Start-Abkommen aufzukündigen, falls die US-Raketenabwehrpläne die nationale Sicherheit Russlands gefährden – also solange das Raketenabwehrsystem nicht zu nahe vor den Grenzen Russlands entsteht. In Polen, Tschechien und Rumänien zum Beispiel. Denn trotz der amerikanischen Beteuerungen fühlen sich die Russen vom Raketenabwehrsystem bedroht. „Da gibt es schon noch einige Widersprüche“, sagte Medwedjew. „Wir werden hier mit Russland zusammenarbeiten“, beteuerte Obama.
Besorgnis erregt die neue russisch-amerikanische Freundschaft beim Gastgeber Tschechien wie auch in anderen Ländern Mitteleuropas. Das „neue Europa“ hatte die Illusion, eine besondere Beziehung zu den USA zu haben. Die Stationierung des US-Raketenabwehrsystems gab ihnen diesen Glauben. Bis Obama, auch um Russland nicht unnötig zu reizen, das Projekt erst einmal auf Eis legte.
Das endgültige Ende des Kalten Krieges und der Beginn des russisch-amerikanischen Frühlings wird in der Region deshalb von vielen mit Argwohn beäugt. Es sei schon beunruhigend, dass in Zukunft der Abzug der US-Truppen aus Europa anstehen wird, sagte der tschechische Militärexperte Jan Eichler. Noch im vergangenen Jahr hatten ost- und mitteleuropäische Staatsmänner unter der Federführung des tschechischen Expräsidenten Václav Havel Obama in einem Brief gewarnt, allzu naiv gegenüber Russland zu sein. Gestern versuchte Obama die Präsidenten mittel- und osteuropäischer Staaten, die eigens nach Prag gereist waren, beim Abendessen in der amerikanischen Botschaft zu beruhigen und davon zu überzeigen, dass sie auch weiterhin wichtige Alliierte der USA bleiben würden.