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Archiv-Artikel

PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH Stopp, POZILEI !

Erst durch einen offiziellen Presseausweis wird man zum Journalisten. Aber den bekommt nicht jeder

Es geht mir ja genauso. Auch ich bremse sofort, wenn ein uniformierter Polizist mit der Kelle winkt, und zeige ihm dann alle meine Papiere. Erst hinterher denke ich: War das überhaupt ein echter Polizist? Hätte ich mir nicht seinen Dienstausweis zeigen lassen sollen?

An Tagen, an denen ich mich klein und schäbig fühle, hole ich mein grünes T-Shirt aus dem Schrank mit der weißen Aufschrift POZILEI auf der Brust. Die Menschen machen mir dann respektvoll Platz auf dem Gehsteig, und kürzlich wurde ich damit an der gebührenpflichtigen Abladestelle für Sperrmüll vom Pförtner sogar durchgewinkt, der salutierend seine Hand an die Schläfe legte, als er mich und mein T-Shirt sah. Es gibt mehr Analphateben in Deutschland, als man denkt.

Früh übt sich, was ein Fälscher werden will: Die Saisonkarte des Reutlinger Freibads ließ sich noch mit einem Filzstift um ein Jahr verlängern. Gegen eine kleine Gebühr, versteht sich, erledigte ich das auch für Freunde und Schulkameraden. Mit einem vordatierten Schülerausweis erschlich ich mir den Zutritt zu Filmen „frei ab 16“, und für die Entschuldigungen beim Fehlen vom Schulunterricht hatte ich mir ganze Stapel von Blanko-Unterschriften meines Vaters besorgt. Im Moment bin ich im Besitz von nicht weniger als sieben Reisepässen, fast alle sind echt.

Nur einen Ausweis besitze ich nicht. Und es wird mir wohl auch nie gelingen, ihn zu bekommen: den deutschen Presseausweis. Ich habe alles versucht, aber man gibt ihn mir nicht. Nicht auf legalem Weg jedenfalls. Die Dienstleistungs(!)gewerkschaft Ver.di, unter anderem zuständig für die Ausstellung der Presseausweise, schickte mir meinen Antrag zurück, ich möge doch bitte glaubhafte Unterlagen beifügen, dass ich wirklich Journalist bin. Beleidigt wandte ich mich an den Verlegerverband, der ebenfalls für die kleine Gebühr von 50 Euro so ein Plastikkärtchen ausstellt.

Eigentlich braucht man als echter Journalist keinen Journalistenausweis. So wie ein echter VIP auch niemals eine VIP-Karte benötigt. An den Besitzern von VIP-Ausweisen erkennt man nämlich nur, wer unwichtig ist – genauso, wie man an Presseausweisen an der Windschutzscheibe ablesen kann, dass es sich beim Besitzer des Fahrzeugs um keinen Journalisten, jedenfalls um keinen ernst zu nehmenden handelt. Aber man spart halt den Eintritt in die Museen, und die Bahnkarte gibt es auch zum halben Preis. Da bin ich dann doch Schwabe genug, diesen vermaledeiten Ausweis zu beantragen. Für Ver.di, den Deutschen Journalistenverband und den Zeitungsverlegerverband ist die jährliche Ausstellung der Ausweise im Übrigen eine sprudelnde Geldquelle. Darum wachen sie scharf darüber, dass ja kein anderer Verband diesen erstellt. Aber nicht jedem erweisen sie die Gnade.

Gestern kam mein Antrag vom Verlegerverband wieder zurück. Ich solle gefälligst eine Bescheinigung des Steuerberaters, einen Nachweis meiner Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse und von mir geschriebene Artikel aus den letzten Monaten vorlegen. Fällt mir ja gar nicht ein. Mehr als zwanzig Jahre schreibe ich mir jetzt schon die Finger aus dem Leib, einen Journalistenpreis hat mir der Verlegerverband dafür sogar verliehen – aber einen Presseausweis gibt er mir nicht. Sollen mich am Abend küssen. Zu was habe ich Fälscher gelernt.

Oder ich mache es, wie der von mir sehr geschätzte Kollege Andreas Altmann. Der schwört auf die deutschen Presseausweise aus Thailand. Die seien wirklich kaum zu unterscheiden vom Original. Dafür aber sehr, sehr viel billiger.

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