: Ein Schritt nach hinten
Schade eigentlich: Die Mainzer Tage der Fernsehkritik faseln haarscharf am Thema „Macht und Medien“ vorbei
Zweimal im Jahr pilgern Medienmenschen, die etwas auf sich halten, auf den Mainzer Lerchenberg. Im schicken Konferenzzentrum des ZDF finden dann entweder der Mainzer Medien-Disput oder aber, wie dieser Tage wieder, die Mainzer Tage der Fernsehkritik statt. Und beide Branchenereignisse haben eines gemeinsam: Sie verdienen keine Beachtung.
Doch die angereisten Journalisten und Programmmacher finden das alles natürlich ganz toll und klopfen sich einhellig auf die Schulter. So fehlt auch in der diesjährigen Eröffnungsrede nicht das Eigenlob, dass die Tage dafür genutzt werden, den berühmten „einen Schritt nach hinten“ zu treten, um das, was täglich am Nachrichtenfließband produziert wird, wieder einmal zu hinterfragen. Doch was Hausherr Markus Schächter und der erste Spitzengast, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm, in ihren einführenden Reden von sich gaben, war hart an der Grenze zur Belanglosigkeit. Schächter etwa malte mal wieder den Teufel an die Wand und schwor die Branche auf einen „Krieg der Plattformen“ ein. Seine Kernaussage: Das Pay-TV wird dem frei empfangbaren Fernsehen mächtig Dampf machen. OH-MY-GOD.
Nichts Neues dann auch von Dieter Grimm. In seiner schwer verdaulichen Rede, die von Worthülsen wie „medienspezifisches Selektionskriterium“ (= Quote) geprägt war, wiederholte er lediglich seine Forderung, die Kontrolle vor allem des Privatfunks zu verbessern. Beim Fall „Springer und ProSiebenSat.1“ habe sich ja gezeigt, wie wichtig neben einer kartellrechtlichen auch eine medienspezifische Fusionskontrolle ist. Und wie Schächter ist auch Grimm geübt, Szenarien an die Wand zu malen. In diesem Fall musste der Sprung über die Grenze zwischen Print und Fernsehen herhalten mit der Folge, dass Information kommerzialisiert werden könnte und Mediengiganten ihre Medienmacht nutzen würden, „um Konkurrenten gegenüber den Konsumenten schlecht zu machen“.
Diese Äußerung passte dann wenigstens zum Titel der diesjährigen Veranstaltung: „Macht und Medien“. Schächter und Grimm streiften das Thema bedauerlicherweise eher nur, als dass sie es schossen, und verbreiteten gängige Forderungen, wie dass Journalisten nicht Akteure der Politik werden sollten und sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk von den Mächtigen nichts in den Block diktieren lassen dürfe. Kleine Kostprobe dieses Gelalles gefällig? „Nur aus der Distanz zu den anderen Systemen können Medien diese kritisch beobachten und dem Publikum eine Chance geben, Alternativen in den Konzepten zu erkennen“, sagt Grimm. Steht übrigens in etwa auf Seite acht jedes publizistischen Lehrbuchs.
Da die so genannte Selbstreflexion der Branche ja eigentlich ganz gut tun würde, ist es bedauerlich, dass solch aufwändige Veranstaltungen durch erkenntnislose Auftaktveranstaltungen an Wert verlieren. Heute, am zweiten und letzten Tag der Mainzer Tage, soll übrigens Kurt Beck über die „Probleme der neuen Balance“ sprechen. Bleibt zu hoffen, dass sich wenigstens der alt-neue rheinland-pfälzische Sonnenkönig ein wenig ins Zeug legen wird. Daniel Bouhs