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Archiv-Artikel

Ringen um die Quote

BASKETBALL Alba Berlin könnte den Eurocup gewinnen. Deutsch wäre dieser Erfolg nicht

VON TORSTEN HASELBAUER

Fünf Monate lang sind die Basketballer von Alba Berlin durch halb Europa gereist. Das Team von Trainer Luka Pavicevic hat am Schwarzen Meer gespielt und in den italienischen Abruzzen gewonnen. Und schließlich vor zwei Wochen mit einem Sieg über Hapoel Jerusalem den Einzug in das Final Four des Eurocups im baskischen Vitoria-Gasteiz erreicht. Es ist der bisher größte Erfolg des Klubs. Der Eurocup ist der zweithöchste Basketballwettbewerb auf europäischer Ebene.

„Für all diese Reisestrapazen wollen wir uns jetzt den verdienten Lohn abholen“, sagt Center Blagota Sekulic. Sekulic knickte beim Abschlusstraining in Berlin noch um, machte sich aber dennoch mit dem Team auf in Richtung Baskenland. Dort treffen die Hauptstädter heute im Halbfinale auf Bizkaia Basket Bilbao (20.45 Uhr/Eurosport2). Mit an Bord der sportlichen Reisegruppe waren auch Julius Jenkins, Derrick Byars und Jurica Golemac. Allesamt Schlüsselspieler im Team von Alba. Nicht zuletzt dank ihrer Treffer konnten sich die Berliner für das Endturnier im Eurocup qualifizieren. Ob sie beim Final Four zum Einsatz kommen, ist wegen ihrer diversen Verletzungen indes noch fraglich.

Amis und Exjugoslawen

Sekulic, Jenkins, Byars, Golemac, Chubb, Wright – mit Alba Berlin steht zwar ein deutscher Verein im Halbfinale, aber einer ohne deutsche Spieler. Allenfalls Nationalspieler Steffen Hamann bringt es regelmäßig auf ein paar Einsatzminuten in einem Team, das von US-Amerikanern und Exjugoslawen dominiert wird. Alba Berlin ist mit seiner Spielerpolitik im deutschen Basketball kein Einzelfall. Der Verein hat die von der Basketball-Bundesliga (BBL) für diese Spielzeit vorgegebene Quote, nach der fünf von zwölf aufgebotenen Spielern deutsche Staatsbürger sein müssen, brav erfüllt. Auf dem Papier. Denn spielen müssen die fünf nicht. „Doch die Zukunft unseres Vereins und des deutschen Basketballs kann das nicht sein“, erklärt Henning Harnisch gegenüber der taz. Henning Harnisch ist Sportdirektor von Alba Berlin. Im Herbst verändert sich sein Aufgabengebiet. Von da an wird er sich nur noch um das Nachwuchsprogramm von Alba Berlin kümmern.

Harnisch wirbt um junge Basketballspieler in ganz Berlin, in den Kitas und in den Ganztagsschulen sowieso. Rund 1.000 Jugendliche trainieren bei Alba Berlin in diesem Programm und nicht weniger als 45 Trainer kümmern sich um sie. Kein Bundesligaverein hat da mehr zu bieten. Damit soll den jungen Leuten die natürliche Scheu vor einer höchst komplexen und anspruchsvollen Sportart genommen werden.

Bisher ist es noch keinem Nachwuchsspieler aus der Alba-Jugend gelungen, in die erste Profimannschaft aufzurücken. Harnisch möchte das ändern, auch wenn er gerade das nicht als oberstes Ziel des ambitionierten Nachwuchsprogramms ausgibt. „Aber wir machen uns fit für die Quote“, erklärt er dann doch noch. Fit machen, ausbilden für eine andere Zeit, „für den längst fälligen Systemwechsel im deutschen Basketball“.

Zeit für den Systemwechsel

Der Sportdirektor von Alba Berlin wundert sich bis heute, wie hartnäckig sich die Basketball-Bundesliga (BBL) gegen eine „Deutschquote“ zu wehren wusste. „In anderen europäischen Ländern wie Spanien, Griechenland oder Italien waren schon einheimische Spieler gesetzt, da haben wir darüber noch gar nicht diskutiert“, klagt der ehemalige Nationalspieler. Nach zähem Ringen einigten sich die 18 BBL-Klubs nun darauf, dass sich die Quote zur Saison 2012/2013 erhöht. Dann müssen sechs von zwölf Spielern Deutsche sein. Deutschland ist das letzte Land in Europa, das sich eine solche Maßnahme verpasst hat.

„Man fürchtete wirtschaftliche Konsequenzen. Viele Vereine haben Angst, dass die Zuschauer wegbleiben, wenn die Ausländer fehlen“, gibt Harnisch die Erklärung für das Quoten-Zaudern. Als Alba-Trainer Pavicevic vor zwei Jahren nach Berlin kam und sein Team begutachtete, fragte er sichtlich erstaunt, warum denn so wenig deutsche Spieler im Kader seien. Dass er nun in seinem Team zum Final Four im Baskenland fast ausnahmslos auf Amerikaner und Spieler aus dem ehemaligen Jugoslawien setzt, ist nicht mehr als eine erzwungene Anpassung an die deutschen Basketballverhältnisse. Pavicevic braucht den Erfolg und lässt die Spieler auflaufen, mit denen er diesen erzielen kann. „Das sind nun mal nicht die deutschen Spieler“, erklärt Harnisch. „Die Amerikaner sind billiger, weil du sie nicht ausbilden musst, und besser, weil den deutschen Spielern die Ausbildung fehlt.“