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Archiv-Artikel

berliner szenen Das Alphabet der Stadt

P wie Pankow

„Prenzlauer Berg ist nicht Pankow“ meint der Aufkleber auf der Wohnungstür meines Nachbarn. Also muss ich wohl ein Stück weiter, um nach Pankow zu kommen. Als ich in der Stavanger Straße die Bungalows bewundere, die mit irre bunten Fahnen ihre Funktion als Botschaften irre entfernter Länder anzeigen, bin ich immer noch nicht sicher, ob ich in Pankow bin.

In der Zillertalstraße werde ich sicherer. Ruinöse Mietskasernen mit Balkonen, die vor 20 Jahren mal einen gelben Anstrich verpasst bekommen haben. Weitere Gelbtöne im sonstigen Einheitsbraun stammen von den nagelneuen Geräten auf dem Spielplatz nebenan und vom Paketdienstwagen der DHL, der gemütlich von Haus zu Haus tuckert. Geschäfte gibt es kaum, nur den Kiezfrisör um die Ecke: „Tinas fliegende Schere“.

Hinter der Bahnunterführung wird es netter. Auf der einen Seite finden sich Schrebergärten, gegenüber neue Hausfassaden. Ein junger Mann sortiert die Blumenkästen auf seinem Balkon, unten trotten Schüler nach Hause. In der Neuen Schönholzer liegt eine Fabrik brach, gegenüber eine dieser alten, Ehrfurcht einflößenden, wuchtigen Schulen. Über den Dächern die Mittagsmaschine aus Zürich im Anflug auf Tegel.

Im Rathaus Pankow wird leise gesprochen. Die Damen vom Wohnungsamt lächeln verständig, sie kämpfen um meinen Antrag. Es herrscht wohlige Freundlichkeit, aus dem kleinen Transistorradio neben den Topfpflanzen läuft irgendwas von Schubert. Mein Antrag wird angenommen. Überhaupt ist es nett hier. Vielleicht sollten mehr junge Kreative hierher ziehen, statt vermeintliche Problemkieze im alten Westen zu gentrifizieren. Ich sage euch: Pankow's not dead.

RENÉ HAMANN