: Ein Verfassungsbefürworter mehr
Die EU freut sich über den Wahlsieg des ehemaligen Kommissionspräsidenten. Nur Angela Merkel laviert
ROM taz ■ Einer erklärt sich zum Sieger, der andere aber weigert sich einfach, seine Niederlage anzuerkennen. Das bringt Diplomaten ins Schwitzen – und wird leicht zum Barometer politischer Sympathien. Aus Paris erhielt Wahlgewinner Romano Prodi schon telefonische Glückwünsche von Staatspräsident Jacques Chirac, und aus Brüssel gratulierte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Auch der belgische Premier Guy Verhofstaedt, Luxemburgs Jean-Claude Juncker und der gegenwärtige EU-Ratspräsident, Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel, zeigten sich erfreut.
Die positive Reaktion kommt nicht von ungefähr: Mit Prodi hätte Italien nach den Regierungsjahren des ebenso Bush-treuen wie EU-skeptischen Berlusconi wieder einen überzeugt proeuropäischen Premier, der sich auch gleich mit einem Interview auf dem Sender France 2 zum Fürsprecher einer abgespeckten Europäischen Verfassung machte.
Ein anderer, der sich mit Neuauszählungen von Stimmzetteln auskennt, schwieg dagegen erst einmal eisern: Der Florida-erprobte US-Präsident Bush ließ nur verlauten, das Weiße Haus warte das endgültige Ergebnis der italienischen Wahl ab. Bush hatte das Seine getan, um seinem Busenfreund die Wiederwahl zu erleichtern, und ihn wenige Wochen vor dem Wahltermin noch auf Staatsbesuch nach Washington inklusive einer Rede vor dem Parlament eingeladen.
Auch in Berlin sind die Reaktionen geteilt. Der designierte SPD-Chef Kurt Beck schickte Prodi ein Glückwunschschreiben, und auch FDP-Westerwelle zeigte sich erfreut. Kanzlerin Merkel dagegen fand den goldenen Mittelweg zwischen Bush und Beck. Sie ließ Regierungssprecher Thomas Steg erklären, Deutschland habe ein großes Interesse daran, dass in Italien „schnell eine stabile und handlungsfähige Regierung gebildet werde“, ohne dass Prodi explizit als Wahlsieger genannt wurde. Steg fügte bloß hinzu, nach dem knappen Ausgang sei „davon auszugehen“, dass Prodi die Regierung bilden werde.
Merkel riskiert damit, sogar der italienischen Rechtspresse hinterherzuhinken. Selbst die Tageszeitungen Libero und Il Giornale – verlegt im Hause Berlusconi – forderten den Verlierer auf, seine Niederlage anzuerkennen. MICHAEL BRAUN