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Archiv-Artikel

Größte Minderheit Europas

Etwa fünfzig Roma wurden in den vergangenen zehn Jahren in Ungarn ermordet. Die Jahreshauptversammlung von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) widmete sich nun am Wochenende in einer Pankower Kirche in Berlin dem Thema „Sinti und Roma in Europa“ und zog dazu mehr als 200 Teilnehmer an.

Obwohl Sinti und Roma die größte Minderheit Europas sind, gebe es, so Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, weder ein Bewusstsein „für die historische Situation noch für den gegenwärtigen Rassismus“. Erst 1982 erkannte die westdeutsche Regierung den Völkermord („Porajmos“) an, in dem eine halbe Millionen Sinti und Roma durch Nazis ermordet wurden.

In der EU ist das Wissen um den Völkermord bisher schwach verankert. Noch heute wird oftmals pauschalisierend gefragt, ob Sinti und Roma „integrierbar“ seien. Auch in Deutschland. Am Begriff der „Unbeschulbarkeit“, mit dem deutsche Sinti und Roma in Sonderschulklassen ausgesondert würden, zeige sich, wie die sozialen Bedingungen die Stereotype, auf die sie vorgeblich reagieren, erst herstellen, so Dr. Brigitte Mihok vom Zentrum für Antisemitismusforschung in einem Beitrag.

In anderen Workshops wurde über die Mythologisierung des „Zigeuners“ als Dieb und Arbeitsverweigerer debattiert oder über die prekäre Situation für Sinti und Roma in Südosteuropa.

Der Film „Belgrad Backspin“ von 2007 zeigte in Deutschland aufgewachsene Roma nach ihrer Abschiebung in Serbien. Durch das vor wenigen Tagen unterzeichnete „Rückführungsabkommen“ droht weiteren 12.000 in Deutschland lebenden Roma die Abschiebung in den Kosovo. Dort sind Übergriffe auf Roma-Siedlungen an der Tagesordnung. Adaleta Ajeti, die Schwester eines der Protagonisten des Films, erzählte, wie sie 2005 vor Beamten der Ausländerbehörde fliehen musste, die Vater und Bruder sofort abschoben. Sie lebte einige Monate illegal und erkämpfte sich schließlich einen gesicherten Status. Ihre Familie aber lebt heute am Rande von Belgrad.

Der Wissenschaftler Udo Engbring-Romang wies darauf hin, dass der Begriff „Zigeuner“ in Polizeiberichten verboten sei, die vorgebliche Gruppenzugehörigkeit aber immer wieder manifest gemacht werde (insbesondere im Begriff „Mobile ethnische Minderheit, MEM“). Hier drückt sich für Engbring-Romang eine tiefe antiziganistischen Grundhaltung der Mehrheitsgesellschaft aus. SONJA VOGEL