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Archiv-Artikel

Am Niederrhein blüht‘s Gras

Niederländische Cannabisbauern entdecken den Standort Deutschland: Im niederrheinischen Grenzland fliegen erneut Plantagen auf. Polizei: Drogenbauern fühlen sich hier sicher

VON MIRIAM BUNJES

Sie sehen aus wie jede andere niederrheinische Scheune auch. Statt Kartoffelsäcken stehen hier allerdings teure Licht- und Wärmeanlagen, unter denen tausende Cannabispflanzen gedeihen. Fast 15.000 berauschende Stauden hat die Polizei am Osterwochenende auf drei Plantagen am Niederrhein beschlagnahmt: Das sind fast eine Tonne Marihuana im Wert von etwa sechs Millionen Euro.

Die Hanffarmen standen in Wachtendonk-Wankum (Kreis Kleve), Sonsbeck (Kreis Wesel) und Pulheim-Stollem (Rhein-Erft-Kreis), alle höchsten dreißig Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt, „auf der grünen Wiese“, sagt Wolfgang Wiese, Sprecher der Viersener Polizei, die die Ermittlungen leitete.

Erst im Februar fiel im Viersener Örtchen Kempen-St.Hubert eine Plantage auf. Der Bauer, in dessen Scheune das Haschisch reifte, hatte seine Pächtern wegen eines Mietstreits vor Ort besucht und dann die Polizei benachrichtigt. „Dadurch konnten wir jetzt drei weitere Plantagen enttarnen“, sagt Wiese.

Wohl nicht die letzten: Im Kreis Viersen fanden die Drogenfahnder allein in diesem Jahr drei Haschfarmen und auch in Nachbarkreisen ist großflächiger Gras-Anbau längst nichts Ungewöhnliches mehr: Jährlich fliegen mindestens vier Felder auf. Oft sind es wie diesmal High-Tech-Anlagen mit automatischen Heiz- und Bewässerungssystemen.

Organisiert wird vermutlich von den Niederlanden aus. „Echte Profis“ nennt Wiese die entdeckten sieben Plantagenbetreiber. Um die Technik kümmerte sich ein Elektroingenieur, es gab polnische Erntehelfer und eine niederländische Vertriebsstruktur. Die drei Niederländer werden noch gesucht.

„Offenbar fühlen sich die Drogenbauer inzwischen in Deutschland sicherer als in den Niederlanden“, sagt der Viersener Polizeisprecher. Tatsächlich geht der niederländische Staat trotz gesetzlich erlaubtem Cannabiskonsum mit Sondereinheiten, Hubschrauberstaffeln und Wärmebildkameras gegen den Haschischanbau vor.

„Leider kommen die Drogenbauern dann offenbar zu uns“, sagt Wiese. „Die Grenzen sind ja offen.“ Manchmal fielen sie durch die hohen Stromrechnungen auf. „Ansonsten sind die Plantagen sehr unauffällig“, sagt der Polizeisprecher. Die jetzt Entdeckten hatten selbst dabei vorgesorgt: Um sich die monatlich tausenden Euro an Strom- und Wasserrechnung zu sparen, hatten sie die umliegenden Leitungen angezapft.

Produziert wird sowohl für den deutschen als auch für den niederländischen Cannabis-Markt, vermuten die Drogenfahnder beim Zoll. „Die Grenznähe macht die Region zu einem attraktiven Standort für Drogengeschäfte“, sagt Alwin Bogan, Sprecher des Hauptzollamtes Krefeld. Und der Bedarf an Haschisch ist groß in Nord-rhein-Westfalen: 120.000 Gramm Haschisch oder Marihuana beschlagnahmte der Zoll allein im vergangenen Jahr an der Grenze. Kontrolliert wurden dafür fast 56.000 GrenzgängerInnen, die aus den Niederlanden nach Deutschland kamen. Verhaftet wurden davon allerdings gerade mal 220. „Die meisten bringen ja nur ein paar Gramm mit über die Grenze“, sagt Bogan.

Und dass geht in NRW in der Regel straffrei aus. Der Besitz „geringer“ Mengen wird nämlich nicht verfolgt, steht auch im bundesweit geltenden Betäubungsmittelgesetz. Und gering“ ,konkretisiert eine Richtlinie für NRW, ist bei so genannten weichen Drogen wie Cannabis alles unter zehn Gramm. Die werden beschlagtnahmt, vernichtet und das Verfahren eingestellt – bei Wiederholung kann das aber anders laufen.